Vor wenigen Tagen holte Ditaji Kambundji sensationell WM-Gold über 100 m Hürden. Nicht vor Ort in Tokio war ihre Schwester Mujinga, selbst 11-fache Medaillengewinnerin an Grossanlässen. Sie wird im November erstmals Mutter.
SRF: Mujinga Kambundji, dank Ihnen sind Schweizerinnen in grossen Sprint-Finals plötzlich Normalität. Schätzt man das hierzulande?
Mujinga Kambundji: Ich finde schon. An den Grossanlässen sind viel mehr Schweizer Fans vor Ort. Viel hat sich auch in den Köpfen der Athleten getan. Sie formulieren nun grosse Ziele.
Ihre Rolle dabei?
Ich habe mir selbst keine Grenzen gesetzt und durch meine Erfolge anderen Türen geöffnet.
Jetzt ist Ditaji durch diese Tür.
Sie hat sie weggesprengt (lacht).
Im TV-Interview hat Ditaji Sie als Vorbild gelobt. Kamen Ihnen die Tränen?
Ja.
Wie ist Ihre Beziehung?
Wir vier Schwestern sind beste Freundinnen.
Als Sie Ihre Schwangerschaft publik machten, erwähnten Sie ein verändertes Körpergefühl. Wie fühlt sich das für eine Sportlerin an?
Es war sehr speziell. Normalerweise weiss ich, wie mein Körper aufs Training reagiert. Doch plötzlich sank die Leistung und die Spannung im Rumpfbereich fehlte. Den schleichenden Übergang vom Sportlerkörper zum Körper einer werdenden Mutter realisierte ich anfangs nicht.
Spitzensport bedingt Körperkontrolle. Ist es schwierig, dass plötzlich ein anderes Wesen im eigenen Körper mitbestimmt?
Als mir das Ausmass der Veränderung klar wurde, konnte ich es schnell akzeptieren. Ich kann ja nachher zurück zur alten Normalität.
Erfahren haben Sie es in China. Mit einem dortigen Schwangerschaftstest?
Ich war mir schon recht sicher, hatte aber keinen Test. In China, wo Google Maps nicht funktioniert, eine Apotheke zu finden, ist aber gar nicht so einfach (lacht).
Auf Social Media haben Sie das Ultraschallbild gepostet. Wie viel wollen Sie künftig teilen?
Sicher ein bisschen, da mir viele Leute folgen. Aber mehr aus meiner Perspektive, das Kind soll nicht so im Fokus stehen.
Sie trainieren derzeit immer noch.
Aktuell sind es drei Trainings pro Woche. Ich bin selbst überrascht.
Tun Sie das gern?
Ich bin froh, fit bleiben zu können. Aber die Einheiten werden kürzer.
Sie haben sich mit Belinda Bencic ausgetauscht, die als Mutter in den Sport zurückgekehrt ist.
Ja, und ich werde das sicher noch öfter tun. Sie ist eine riesige Inspiration und hat bereits wieder ein Turnier gewonnen. Dank solcher Vorbilder wird die Kombination Spitzensport und Mutterschaft normaler.
Sind wir darüber hinweg, Sport und Mutterschaft befremdlich zu finden?
Ich glaube schon. Es ist viel akzeptierter als noch von zehn Jahren.
Machen Sie sich selbst Druck?
Schon, aber dosiert. Das Comeback motiviert mich auch, dranzubleiben und schnell zurückzukehren.
Neu müssen Leichtathletinnen per Gentest nachweisen, dass sie weiblichen Geschlechts sind. Was ist Ihre Meinung?
Das ist schon sehr lange ein Thema in der Leichtathletik. Ich finde es gut, aber auch schwierig, weil das Geschlecht ja teils nicht eindeutig ist.
Sie sagen: «Ich komme zurück – gleich gut oder besser». Selbstbewusste Worte.
Dieses Selbstbewusstsein brauche ich auch für mein Comeback. Es ist nie etwas sicher, aber ich bin wirklich sehr zuversichtlich.
Ist Olympia 2028 Ihr grosses Ziel?
Klar.
Dann sind Sie nicht mehr die Jüngste im Feld.
Mittlerweile gibt es immer mehr Sprinterinnen über 30. Es ist schön zu sehen, dass viele Vorbilder zeigen, was noch alles möglich ist.
Was bedeutet das für Ditaji?
Sie hat riesiges Potenzial, um noch schneller zu laufen.
Das Gespräch führte Urs Gredig.