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Engadinerin mit Weltkarriere «Es muss um etwas gehen»: Darum spielt Ursina Lardi so stark

Seit ihrem Auftritt in Michael Hanekes «Weissem Band» vor 15 Jahren ist die Bündnerin Ursina Lardi auf den bedeutenden Bühnen der Welt zuhause. Der Erfolg ist nicht nur ihrem Talent zu verdanken. Ihre Rollen erarbeitet sie sich akribisch, sogar mit Recherchen im Kriegsgebiet, wie für «Die Seherin».

Ursina Lardi und Regisseur Milo Rau gehen durch die zerbombten Häuser im irakischen Mossul, der Stadt, wo damals der IS das Kalifat ausrief. Sie sprechen mit Personen, die Fotos der Kriegsgräuel zeigen. Lardi und Rau sehen darauf Menschen, die verzweifelt um Hilfe schreien, Leichen, im Feuer der Explosion ist ein Mensch zu sehen. Sie treffen einen Mann, dem eine Hand abgehackt wurde. Später werden sie den Mann mit ehemaligen IS-Kämpfern konfrontieren. Sie wollen sehen, was passiert.

Lardi und Rau sind auf Recherchereise für ihr Theaterstück «Die Seherin», das in Wien und Berlin gezeigt wird. Ursina Lardi spielt darin eine Kriegsfotografin, den ganzen Abend allein auf der Bühne.

Für Ursina Lardi ist diese Phase bei der Entstehung eines Stücks sehr wichtig: «Wir sammeln Geschichten, wir sammeln Details. Aus diesen O-Tönen destillieren wir einen Text», sagt sie im Film von Regisseur Sören Senn, der sie auf der Reise begleitet.

Wie die Gewalt darstellen?

Es ist dieselbe Vorgehensweise wie bei früheren Stücken. Für «Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs» reisten sie ins Bürgerkriegsgebiet zwischen Kongo und Ruanda. Beiden geht es um Grenzerfahrung, mit Tod, mit der Darstellbarkeit von Gewalt. Wie darstellen, wenn jemandem die Hand abgehackt wird, wenn jemand vergewaltigt wird?

Lardi und Rau haben immer wieder zusammengearbeitet, nie konfliktfrei. Wiederholt standen sie vor «unüberbrückbaren Differenzen», wie Lardi sagt. Aber wenn sie in einen Flow kommen, entsteht Grosses. «Man kann mit Lardi nicht scheitern», sagt Milo Rau.

Der Weg zur gefeierten Bühnenkünstlerin war für Lardi allerdings weit. Geboren in Samedan, macht sie eine Ausbildung zur Grundschullehrerin. Sie spielt in einer Theatergruppe, wird irgendwann gefragt, ob der Beruf Schauspielerin nicht etwas für sie wäre.

Sie schafft es an die renommierte Ernst Busch-Schauspielschule in Berlin. Und ist sofort sehr eingeschüchtert: «Alle wussten so wahnsinnig viel. Ich habe weder Stücke, noch philosophische Bücher, noch irgendwas gelesen. Ich kam an mit einer irrsinnigen Wissenslücke.» Sie schliesst sie mit obsessiver Arbeit. Aber man fragt sich trotzdem, ob sie hier richtig sei.

Es muss um etwas gehen

Diese Härte zu spüren kommt ihr später zugute beim Drehen mit Michael Haneke für den Film «Das weisse Band». Lardi in der Rolle der Baronin, auf dem Set lauter berühmte Kollegen, sie kaum bekannt und furchtbar aufgeregt.

Frau mit hellem Hut und Bluse, im Hintergrund dunkel gekleidete Menschen
Legende: Zwar noch unbekannt, doch schon mit grossem Auftritt: Ursina Lardi als Baronin im Film «Das weisse Band». X-Verleih

Und dann diese Szene, wo sie nur einen Satz sagen muss – und es nicht kann. Die Statisten müssen immer wieder zurück, sie drehen den ganzen Tag an der Szene. Wider Erwarten wird sie nicht rausgeschmissen.

Es ist auch meine Lebenszeit. Ich will auch etwas erleben.
Autor: Ursina Lardi Schauspielerin

Später dann aber die Schlüsselszene, wo die Baronin ihren Mann verlässt. In der Nacht davor hat sie Durchfall, kann nicht schlafen. Sie dreht die Szene – und sie ist im ersten Take perfekt. Lardi merkt: «Es kann immer plötzlich fliegen, egal aus welcher Scheisse du gerade aufstehst.»

Noch heute muss es immer um etwas gehen, wenn Lardi auf der Bühne oder vor der Kamera steht. Sonst bleibt sie lieber zuhause. «Ich bin todunglücklich, wenn ich nach einer Vorstellung das Gefühl habe, ich war mit den Gedanken woanders. Es ist auch meine Lebenszeit. Ich will auch etwas erleben.»

SRF 1, Sternstunde Kunst, 14.12.2025, 12:00 Uhr

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