Geschichten über Migration in der Schweiz gab es dieses Jahr viele zu sehen an den Solothurner Filmtagen. Spannend dabei: Es wurden ganz unterschiedliche Blickwinkel und Perspektiven gewählt, individuelle Geschichten und grosse Zusammenhänge gezeigt.
Dass nun in der Hauptkategorie «Prix de Soleure» und in der Kategorie «Prix du Public» Filme im Themenbereich Migration gewonnen haben, verwundert nicht.
Asylbefragungen als dramatisches Kammerspiel
Der Film, der den Hauptpreis der Solothurner Filme verliehen bekam, stellt vier Menschen ins Zentrum, deren Asylgesuch in der Schweiz abgelehnt wurde. «Die Anhörung» stellt die Gespräche – oder vielmehr die Befragungen – noch einmal nach, die sie mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Staatssekretariats für Migration SEM führen mussten. Ihnen gegenüber sitzen denn auch echte Mitarbeitende des SEM.
Die dreiköpfige Jury schrieb dazu: Der Film sei ein «dramatisches Kammerspiel, in dem sich in fragmentarischen Aussagen erschütternde Schicksale entfalten.»
Einfacher Kniff mit grosser Wirkung
Der Film beschränkt sich aber nicht nur auf die Nachstellung der Gespräche – was an sich schon ein toller filmischer Einfall ist. Die Filmemacherin Lisa Gerig lässt ihre Protagonistinnen den Spiess auch umdrehen – und die Asylsuchenden in ähnlicher Manier die SEM-Mitarbeitenden befragen.
Durch diesen einfachen Tausch holt sie die Protagonistinnen aus ihren scheinbar festgelegten Rollen und die Menschen dahinter werden sichtbar.
Ein Schweizer Offizier namens Popadić
Ganz am anderen Ende der Fahnenstange sind die Protagonisten des Siegerfilms des Publikumspreises «Echte Schweizer» . Sie sind Secondos, Kinder von Migranten, alle eingebürgert und bestens integriert. Nicht nur das: Alle vier – auch der Filmemacher Luca Popadić selbst – sind Offiziere der Schweizer Armee.
Der humorvoll erzählte Film, der auch vor kritischen Fragen nicht haltmacht («Wenn es Krieg zwischen der Schweiz und deinem anderen Herkunftsland gäbe, für wen würdest du kämpfen?»), bekam vom Solothurner Filmpublikum die meisten Stimmen.
Das Labor des Schweizer Films
Immer ein bisschen unter dem Radar bleiben bei Filmfestivals die Kurzfilme. Sie sind das Labor des Schweizer Films: Es werden viele Formen, Stile und Erzählweisen ausprobiert und zelebriert. Das zeigt sich auch bei den beiden Gewinnerfilmen in den Kategorien «bester Kurzfilm» und «bester Animationsfilm».
Der portugiesisch-schweizerische Regisseur Basil da Cunha erzählt in seinem Film «2720» in nur 24 Minuten nicht nur eine, sondern viele Geschichten, die sich in einem Problemviertel in Lissabon abspielen.
Der fünfminütige ausgezeichnete Animationsfilm «Crevette» ist eine Koproduktion von Elina Huber, Noémi Knobil, Jill Vágner und Sven Bachmann. Er erzählt ohne Worte, aber mit witzigen Bildeinfällen eine (alb)traumhafte Geschichte über die Angst einer Frau vor ihrer Schwangerschaft, als sie im vereisten Gefrierfach eine Crevette findet.