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76. Filmfestival Venedig Polanski sorgt für Ärger in Venedig

Keiner dominierte das Filmfestival Venedig vom ersten Tag an wie Roman Polanski – obwohl er gar nicht da war.

Roman Polanski hat sich das inzwischen zur Gewohnheit gemacht: Feiert einer seiner Filme an einem Festival Premiere, fehlt er selber. Handhabte er es anders, kam es einige Male schief heraus für ihn.

2009 etwa in Zürich. Statt vom Empfangskomitee zum Filmfestival wurde Polanski von der Polizei ins Gefängnis eskortiert. Vorübergehend. Es folgte Hausarrest mit Fussfessel im Berner Oberland und ein juristisches Hickhack zwischen der Schweiz und den USA.

Sex mit einer 13-Jährigen

2016 entkam er erneut seiner Auslieferung an die USA – durch sein Heimatland Polen. Dort hatte ein Gericht zugunsten Polanskis entschieden, gegen den Willen der Regierung.

Grund ist ein bis heute gültiger Haftbefehl aus den USA gegen Polanski, der 1978 vor Gericht zugegeben hatte, als 42-Jähriger Sex mit einer 13-Jährigen gehabt zu haben. Vor dem Urteil floh er nach Europa.

Porträt Roman Polanski
Legende: Roman Polanski, hier am Zurich Film Festival, 2017. Getty Images / Andreas Rentz

Wo immer Polanski mit seinem neusten Werk präsent ist, kommt es zu Kontroversen. 2018 reagierte die Oscar-Academy im Zuge der «MeToo»-Debatte mit dem Ausschluss des Regisseurs aus ihren Reihen. Weitere Frauen hatten Polanski inzwischen beschuldigt, auch sie als Minderjährige missbraucht zu haben.

Kunst und Person trennen

In Venedig stellte sich Festival-Direktor Alberto Barbera hinter den Entscheid, seinen neusten Film mit dem sinnigen Titel «J’accuse» in den Wettbewerb aufzunehmen. Zwischen dem Werk und der Person müsse unterschieden werden. Und schliesslich, so Barbera weiter, sei die Kunstwelt stets von Kriminellen bereichert worden. Er verwies auf den frühbarocken Meister Caravaggio, der sogar ein Mörder gewesen sei.

Alberto Barbera versetzte dieses Jahr ohnehin Feministinnen und Aktivistinnen in Rage. «Vollkommen taub» sei die Festivalleitung im Hinblick auf die aktuellen Sexismus-Debatten, meinte Aktivistin Melissa Silverstein im Branchenmagazin «Hollywood Reporter» .

Der Fall Nate Parker

Nebst Polanski wird US-Regisseur Nate Parker in Venedig seinen neusten Film zeigen. Auch er stand vor Gericht, wegen Vergewaltigung. Parker wurde 1999 freigesprochen. Der Fall schadete ihm bis 2016 nicht. In dem Jahr galt er mit seinem Film «The Birth of a Nation» als sicherer Oscar-Kandidat.

Porträt Nate Parker
Legende: Nate Parker stand wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs vor Gericht. Er wurde 1999 freigesprochen. REUTERS / Jonathan Alcorn / File Photo

Dann geriet die Geschichte über die Vergewaltigung erneut in die Medien und die US-Filmindustrie mied Nate Parker wie der Teufel das Weihwasser. Seit Film-Mogul Harvey Weinstein wegen Sexualdelikten aus dem Hollywood-Olymp vertrieben wurde, ist die Sensibilisierung bezüglich solcher Vergehen in der machohaften US-Filmindustrie gestiegen.

Mutmassliches Opfer nahm sich das Leben

Tragisch an Parkers Fall war, dass sich das mutmassliche Opfer, eine Mitstudentin von ihm, 2012 das Leben nahm. Was war geschehen?

Mit Parker vor Gericht stand damals sein Mitbewohner Jean McGianni Celestin, der spätere Co-Autor von «The Birth of a Nation», ebenfalls Afroamerikaner. Sie hatten Sex mit der Mitstudentin, einer Weissen.

Der Sex sei einvernehmlich geschehen, sagten die Angeklagten aus. Die junge Frau erklärte jedoch, dass sie betrunken und während des Geschlechtsverkehrs bewusstlos gewesen sei. Celestin musste eine Gefängnisstrafe antreten, Parker wurde freigesprochen.

Versuch eines Comebacks

Dieser Freispruch ist für Venedigs Festival-Direktor Alberto Barbera die Legitimation, Parker in die Lagunenstadt einzuladen: «Er wurde freigesprochen. Warum also sollten wir seinen Film nicht zeigen?»

Ein Fazit kann zum Filmfestival gezogen werden: Im Wettbewerb präsentieren dieses Jahr genauso viele weibliche Regisseure ihre Filme, wie es männliche Filmemacher hat, die wegen Sexualverbrechen vor Gericht standen.

Sendung: SRF 1, Tagesschau, 30.08.2019, 19.30 Uhr

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