Nile Jarvis (Matthew Rhys) ist «pretty fucking fucking interesting», wie er selbst von sich behauptet. So berühmt, vermögend und skandalumwittert, dass er doch als Vorlage für das neue Buch der Schriftstellerin Aggie Wiggs (Claire Danes) taugen könnte. Diese Avance macht Jarvis seiner neuen Nachbarin gleich in der ersten Folge. Und er scheint damit einen Nerv zu treffen.
Raus aus der Schreibblockade?
Denn die Schriftstellerin ist seit dem Unfalltod ihres achtjährigen Sohnes in einer Mischung aus Schmerz und Wut versunken. Seit Jahren unfähig, irgendetwas Lesbares zu Papier zu bringen, sucht sie wieder nach einem wirklichen Anreiz zum Schreiben. Und auch nach einem Ausweg, ihre Rachefantasien an dem Unfallfahrer zu stillen.
-
Bild 1 von 5. Schriftstellerin Aggie Wiggs (Claire Danes) hat schwere Jahre hinter sich – und steckt in einer Schreibblockade. Da kommt ihr der neue, hochinteressante Nachbar ganz gelegen. Bildquelle: Netflix.
-
Bild 2 von 5. Nile Jarvis' (Matthew Rhys) Selbstbild? Er sei «pretty fucking fucking interesting». Andere halten ihn eher für den ultimativen Bösewicht. Der Immobiliehhai wird verdächtigt, seine Ex-Frau ermordet zu haben. Bildquelle: Netflix.
-
Bild 3 von 5. Als Aggie ihrem Nachbarn begegnet, sieht sie eine Chance – und ist seltsam fasziniert von dem Mann, der alles zu kontrollieren glaubt. Er meint sie zu durchschauen: «Sie haben diesen Blick – ich sehe Mordlust», sagt er zu ihr bei einem der ersten Treffen. Bildquelle: Netflix.
-
Bild 4 von 5. Aggie Wiggs kämpft derweil mit eigenen Dämonen: Der Unfalltod ihres Sohnes hat sie in eine Spirale aus Schmerz und Wut gestürzt; dem Unfallfahrer gegenüber hegt sie starke Rachegefühle. Bildquelle: Netflix.
-
Bild 5 von 5. Und dann taucht auch noch ein FBI-Agent auf, der die Autorin vor ihrem Nachbar warnt. Doch das scheint Jarvis für Wiggs nur noch interessanter zu machen. Bildquelle: Netflix.
Eines Tages taucht da eben der Immobilienmogul im Hoodie auf. Um mal nett nachzufragen, ob er einen privaten Joggingpfad durch das Wäldchen in der Nachbarschaft dreschen dürfte. Jarvis gibt sich als netter Millionär von nebenan. Doch hinter seiner Hybris steckt etwas Abgründiges.
Nicht nur steht Jarvis Lebenswerk auf dem Spiel – «Jarvis Yards», ein Gentrifizierungsprojekt in New York – und er wird verdächtigt, seine Ex-Frau ermordet zu haben. Dahinter ahnt die Schriftstellerin Aggie Wiggs schnell weitere Abgründe – gerade deshalb fasziniert er sie. Also entscheidet sie sich für das Buchprojekt.
Wenig originell
Ihre Beziehung zu Jarvis entfaltet sich zu einer Art Spiel, in der oft nicht klar ist, wer gerade wen manipuliert.
Vieles kommt einem aus ähnlichen Krimi- oder Thrillerserien auf Netflix bekannt vor. Nebenfiguren wie FBI-Agent Brian Abbott oder Jarvis politische Gegnerin, die Stadträtin Olivia Benitez, sind recht schablonenhaft geraten und letztlich nicht mehr als weiteres Konfliktpotential für bestimmte Story-Elemente.
Wie üblich für den Netflix-Thriller-Look werden grosse Teile der Story über Bilder von verpassten Anrufen und nicht gelesenen SMS erzählt. Auch die Grundkonstellation, die Geschichte einer traumatisierten Schriftstellerin mit inneren Dämonen, ist nicht besonders originell. Weil insbesondere Matthew Rhys als Nile Jarvis aber einen interessanten Protagonisten abgibt, entfaltet sich daraus aber doch ein spannender Sog.
Dieser entwickelt sich langsam über die erste Folge hinweg und zeigt einmal mehr, dass Streamingzuschauende schon lange gewohnt sind, nicht mehr in den ersten fünf Minuten darüber unterrichtet werden zu müssen, wer jetzt was gemacht hat.
Das System der Mächtigen
In «The Beast in Me» geht es insgesamt weniger um die Frage, ob Jarvis den Mord begangen hat. Es geht vielmehr darum, wie er sich gegen die Vorwürfe schützt und um die Frage, welches System ihm dabei zur Verfügung steht. Dazu gehören sein Vater Martin Jarvis (Jonathan Banks) mit dem unverwechselbaren Mundwinkelzucken von Mike Ehrmantraut aus «Breaking Bad» – und Onkel Rick (Tim Guinee) der als Familienlakai die Drecksarbeit erledigen muss.
Mit der Veröffentlichung weiterer Epstein-Files spielt sich gerade ein wirklicher Fall in dieser Blase aus Geld, Einfluss und Macht ab, bei dem sich noch zeigen wird, inwieweit das System der Mächtigen weiter ins Wanken geraten kann.
Nile Jarvis jedenfalls spielt mit der Wahrheit, weil nur er selbst sie zu kontrollieren vermag. Zumindest glaubt er das.
«The Beast in Me» läuft auf Netflix.