Mit dem Schweizer Filmpreis wird Kunst ausgezeichnet, nicht Publikumserfolg. Eine Haltung, die nicht allen gefällt. Aber die Mitglieder der Schweizer Filmakademie stimmen nun einmal so ab, wie sie abstimmen: Unbeeindruckt davon, ob die breite Masse etwas kennt, schätzt oder mitträgt.
Stille Fabel wird bester Spielfilm
So wird eine stille Fabel über das sexuelle Erwachen einer Mitvierzigerin zum Besten Schweizer Spielfilm 2024 gekürt: «Blackbird Blackbird Blackberry». Es ist eine schweizerisch-georgische Koproduktion von Elene Naveriani, Regieperson mit abgeschlossenem Filmstudium in Genf.
Der Film räumt zudem zwei weiteren Preise ab – für das Beste Drehbuch und den Besten Schnitt. An der Kinokasse hat er allerdings kein Erdbeben ausgelöst: Gemäss dem Kino- und Filmverleihdachverband Pro Cinema hat der Film in der Deutschschweiz bis letzte Woche keine 2000 Eintritte verbucht.
Der Schweizer Filmpreis als Chance
Bis auf das Fachpublikum und ein paar Neugierige hat also kaum jemand «Blackbird Blackbird Blackberry» im Kino gesehen. Und trotzdem hat das Drama den Preis verdient: Elene Naveriani gehört unwidersprochen zu den aktuellen Talenten des Schweizer Films.
«Blackbird Blackbird Blackberry» hat etwa in Ungarn, Polen, sowie in Bosnien und Herzegowina Festivalpreise gewonnen. In Deutschland kommt er demnächst als «Amsel im Brombeerstrauch» in die Kinos. Auch in der Romandie steht der Start noch aus. Hier kann der Schweizer Filmpreis helfen, das Publikum in die Kinosäle zu locken.
Dominante Romandie?
Stichwort Romandie: Die Dominanz der Westschweiz in den Nominationen gab bereits im Vorfeld zu reden . Ob hier tatsächlich ein Ungleichgewicht herrscht, ist aber letztlich irrelevant – wichtiger scheint die Aussicht, dass vermehrt über die Sprachgrenzen hinaus gearbeitet wird. Dafür finden sich in der Preisliste schöne Beispiele.
Da ist die preisgekrönte Schauspielerin Ella Rumpf ( «Le théorème de Marguerite» ), die ihre Karriere gekonnt auf den deutschsprachigen und den französischsprachigen Raum aufteilt. Oder die in Zürich und Luzern ausgebildete Regisseurin Jela Hasler, die in ihrem prämierten Kurzfilm «La gravidité» die Waadtländer Schauspielerin (und Regisseurin) Jena Hasse in Szene setzt.
Der gemäss dem Schweizer Filmpreis beste Dokumentarfilm, «Die Anhörung» der Zürcherin Lisa Gerig, ist wiederum eine Deutschschweizer Produktion, in der neben anderen Sprachen auch französisch gesprochen – und gedolmetscht – wird. Der Kameruner Pascal Onana half für diesen Film mit, ein Asylverfahren nachzustellen, und beteiligt sich nun an der Promotion des Films.
Nächstes Rennen: Europäischer Filmpreis
Engagement und Kunst wurden also beim Schweizer Filmpreis prämiert – kommerziellere Unterfangen, wie der landesweite Publikumserfolg «Bon Schuur Ticino» oder Michael Steiners Netflix-Thriller «Early Birds» , fanden erwartungsgemäss keine Beachtung.
Dieser ausgeprägte Wille, Hochstehendes zu prämieren, Populäres aber nicht, hat dieses Jahr einen speziellen Hintergrund: Im Dezember 2024 wird der Europäische Filmpreis erstmals auf Schweizer Boden vergeben – im KKL Luzern. In diesem Zusammenhang war der Schweizer Filmpreis 2024 eine willkommene Gelegenheit, die Branche für das nächste Rennen in Stellung zu bringen.
Schweizer Filmpreis 2024: die Übersicht
Bester Spielfilm | «Blackbird Blackbird Blackberry» von Elene Naveriani | |
Bester Dokumentarfilm | « Die Anhörung » von Lisa Gerig | |
Bester Kurzfilm | «La gravidité» von Jela Hasler | |
Bester Animationsfilm | «Armat» von Élodie Dermange | |
Bestes Drehbuch | «Blackbird Blackbird Blackberry» von Elene Naveriani | |
Beste Darstellerin | Ella Rumpf (Marguerite) in « Le théorème de Marguerite » | |
Bester Darsteller | Karim Barras (Joël) in «Bisons» | |
Beste Darstellung in einer Nebenrolle | Maud Wyler (Claire Fresnel) in «La voie royale» | |
Beste Filmmusik | «Bisons» und «The Land Within» – Nicolas Rabaeus | |
Beste Kamera | «Bisons» – Joseph Areddy | |
Beste Montage | «Blackbird Blackbird Blackberry» – Aurora Franco Vögeli | |
Bester Ton | « La chimera » – Xavier Lavorel | |
Bester Abschlussfilm | «Chagrin Valley» von Nathalie Berger (ZHdK) |