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Branche in Bredouille Game over für die Game-Industrie? Darum ist der Boom vorbei

Lange ging es nur steil nach oben: In den letzten zehn Jahren hat sich der Umsatz der Gamingbranche auf 200 Milliarden Franken pro Jahr mehr als verdoppelt. Ein genauer Blick zeigt: Die Branche kämpft trotzdem mit Problemen. Das sind die Gründe.

Zunächst die Diagnose: Dem Patienten geht es schlecht. Seit dem Ende der Pandemie stagniert die Game-Industrie, die Zahlen blieben in den letzten drei Jahren weit hinter den Erwartungen zurück.

  • Der Umsatz der Industrie ist real zurückgegangen: 13 Prozent weniger als 2021.
  • Die Spieler verbringen weniger Zeit mit Games – seit 2021 gingen die global mit Games verbrachten Stunden um über 30 Prozent zurück und es kamen kaum neue Spieler dazu.
  • Atemberaubende Flops – wie beispielsweise «Concord», das geschätzt 400 Millionen Dollar Verlust eingefahren hat – sind häufiger geworden.
  • In den letzten Jahren wurden viele Studios geschlossen und etwa 40'000 Personen entlassen.

Was sind die Gründe für die Abwärtsspirale?

Grund 1: Smartphone-Games stagnieren

Den enormen Boom, den Games auf Smartphones erlebt haben, war einer der wichtigsten Faktoren für das Wachstum der letzten Dekade. Doch Smartphone-Games haben ihren Schwung eingebüsst. Bestehende Nutzer geben weniger aus (in den USA 27 Prozent weniger als 2021) – und sie verbringen deutlich weniger Zeit mit Spielen. Vor allem Video-Plattformen wie Tiktok, Instagram und Youtube konkurrenzieren Games.

Smartphone mit Paracetamol-Challenge-Video gegen verschwommene Bildschirmhintergrund.
Legende: Lieber Tiktok statt Taktik: Smartphone-Nutzende greifen in ihrer Freizeit vermehrt zu Videoplattformen mit unendlich vielen Kurzvideos als zu Videogames. IMAGO / Hanno Bode

Grund 2: Wachstum nicht gleichmässig verteilt

Bei den Konsolen hat in den vergangenen Jahren vor allem Nintendo für Wachstum gesorgt – Playstation und Xbox konnten gegenüber älteren Modellen nicht mehr verkaufen oder neue Spieler gewinnen. Doch Nintendo-Gamer verhalten sich anders: Sie kaufen etwa 25 Prozent weniger neue Games – und etwa die Hälfte bei Nintendo.

Auf PCs wurde das Wachstum vor allem von Chinas Gaming-Boom angetrieben. Doch chinesische Gamer wollen oder dürfen ausländische Games nicht spielen – über 80 Prozent der Umsätze bleiben im Land. Das Wachstum war also sehr einseitig verteilt, nicht die ganze Industrie profitierte davon.

Schweizer Game-Entwickler nur indirekt betroffen

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Der mit Abstand grösste Schweizer Game-Entwickler ist Giants in Schlieren, dank der enorm erfolgreichen «Farming Simulator»-Serie. Ein treues Publikum und stetig neuer Nachwuchs bescheren dem Game mit jeder neuen Ausgabe neue Verkaufsrekorde.

Daneben sind in der Schweiz viele Game-Studios am Werk, die man als «Indies» bezeichnet und die meist mit sehr kleinen Teams arbeiten. Diese Szene fordert seit jeher mehr staatliche Förderung und privates Risikokapital. Der Wunsch wird unter dem Eindruck globaler Krisen und sinkender Risikofreudigkeit der Investoren wohl nicht erfüllt werden. Die grösste Herausforderung für diese Entwickler ist, in einem globalen Markt überhaupt wahrgenommen zu werden. Weil sie aber beweglich und innovativ sind, eröffnet das Ende des Booms auch Chancen.

Grund 3: Preise und Kosten

Bei Games ist es unüblich, die Kaufpreise der Inflation anzupassen. Damit sind die realen Kaufpreise seit den 90er-Jahren auf weniger als die Hälfte gesunken. Die Industrie versuchte zwar, im Game selbst noch Umsatz zu erzielen – beispielsweise mit dem Verkauf virtueller Kostüme oder Zusatzfeatures. Diese Umsätze stagnieren aber, weil die Spieler weniger Zeit mit dem Spiel verbringen. Ausserdem haben In-Game-Käufe höhere Entwicklungskosten zur Folge, weil ein Game laufend mit neuen Inhalten versorgt werden muss.

Ohnehin sind die Herstellungskosten explodiert. Ein Blockbuster-Game vor 15 Jahren hatte ein Budget von 50 Millionen Franken zur Verfügung – heute werden 500 Millionen ausgegeben.

Negativspirale ohne Ende?

Nun steckt die Game-Industrie in einem Teufelskreis fest: Der Umsatz stagniert, die Kosten steigen, der Profit sinkt, das Risiko steigt. Vielen Investoren ist das Risiko zu hoch und es wird weniger in die Game-Industrie investiert. Daraus resultiert, dass es weniger Innovation und Hits gibt. Was wiederum zu weniger neuen Spielern und Spielerinnen führt, was den Umsatz nach unten drückt.

Wie sich die Game-Industrie aus dieser Negativspirale befreien kann, zeichnet sich aktuell noch nicht ab.

Ein paar Hoffnungsschimmer am Horizont

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Die neue Switch 2: Weil sie deutlich mehr Leistung hat, könnten aktuelle Games auch auf der Switch 2 erscheinen. Von einem Switch-2-Erfolg könnte auch der Rest der Industrie profitieren.

Teurere Games dank GTA-6: Die nächste Ausgabe der Hit-Serie (10 Milliarden Dollar Umsatz) wurde auf 2026 verschoben. Der Hype um GTA 6 ist so gross, dass das Game am ehesten einen höheren Kaufpreis normalisieren könnte.

Roblox: Das Game wächst enorm und die sehr jungen Spieler und Spielerinnen verbringen aussergewöhnlich viel Zeit darin. Allerdings ist Roblox alles andere als profitabel: pro Franken Einnahmen gibt das Unternehmen 1,35 Franken aus. Und die Zielgruppe, Kinder, hat weniger Geld als Erwachsene.

App-Store-Duopol aufbrechen: Apple und Google behalten 30 Prozent des Umsatzes auf ihren Plattformen für sich. Gerichtsentscheide oder Regulierungen könnten sie zwingen, der Industrie mehr vom Kuchen zu überlassen.

Mehr Werbung: Im Vergleich zu anderen Medien wird in Games wenig Werbung angezeigt. Mehr Werbung könnte den Umsatz steigern.

Generative KI: KI wird noch lange nicht in der Lage sein, die hochkomplexen Herstellungsprozesse von Games komplett zu übernehmen. Clevere KI-basierte Werkzeuge könnten dennoch die Entwicklungskosten senken.

SRF 3, 5.6.2025, 15:20 Uhr

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