«Counter-Strike» war zwar nicht der erste «Ego Shooter», aber das Game hat das Genre und den E-Sport geprägt – und die Beliebtheit hält bis heute an.
Alles beginnt in den 90er-Jahren. Computerspiele gibt es schon eine Weile, Konsolen zieren seit einem Jahrzehnt die Fernsehmöbel. Dank verbesserter Grafikkarten erleben Schiessspiele, sogenannte «Ego Shooter», einen Boom: «Wolfenstein 3D» und «Doom» sind Hits.
Counter-Strike früher und heute
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Bild 1 von 5. 2000 – Counter-Strike. Von zwei Studenten als Half-Life-Mod entwickelt, wird es am 9. November 2000 unter Steam als eigenständiges Spiel veröffentlicht. Es wird weiterentwickelt bis Version 1.6. Bildquelle: Steam.
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Bild 2 von 5. 2004 – Counter-Strike: Condition Zero. Die Single-Player-Kampagne ist ein Flop. Bildquelle: Steam.
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Bild 3 von 5. 2004 – Counter-Strike: Source. Die Verbesserungen von Source (unter anderem eine grössere Hitbox und ein zufälliges Streumuster) gefallen nicht allen. Das Spiel spaltet die Community: Während die einen zu Source wechseln, spielen andere weiterhin das Original. Bildquelle: Steam.
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Bild 4 von 5. 2012 – Counter-Strike: Global Offensive. CS:GO eint die Community wieder (nach anfänglichen Schwierigkeiten) und läutet ein neues goldenes Zeitalter ein. Bildquelle: instant-gaming.com.
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Bild 5 von 5. 2023 – Counter-Strike 2. CS2 verändert nicht viel am Erfolgsrezept von CS:GO, kommt aber etwas hübscher und moderner daher. An einem durchschnittlichen Tag hat CS2 aktuell 1.5 Millionen Spielerinnen und Spieler. Bildquelle: Steam.
2000: «Counter-Strike 1.0» – Vom Volltreffer zum Bombenerfolg
Ende der Neunziger spielen zwei amerikanische Studenten eines der damals beliebtesten Computerspiele – «Half-Life» – und bauen das Game um. Sie wollen nicht alleine, sondern gegen andere spielen. Sie programmieren eine Mod (eine «modification», eine Veränderung, Anpassung des Spiels) von «Half-Life» und nennen sie «Counter-Strike».
Die Mod ist ein Volltreffer: Rasch wird sie so beliebt, dass Valve, der Hersteller von «Half-Life», darauf aufmerksam wird. Kurzerhand kauft Valve das Spiel und stellt die zwei Studenten als Entwickler ein. Ein Jahr später erscheint «Counter-Strike» als eigenes Spiel, und bereits im Jahr darauf schlägt es «Quake» als beliebtestes E-Sport-Game überhaupt.
2002: Der Sündenbock
Im Frühling 2002 erschiesst ein 19-Jähriger an einer Schule in Erfurt 16 Personen und sich selbst. Die Tat markiert den Beginn der deutschen «Killerspiel»-Debatte: Im öffentlichen Diskurs nach Erfurt werden «Killerspiele» als eine der Ursachen der Tat bezeichnet – insbesondere das populäre «Counter-Strike».
Dass sich der Täter von Erfurt gar nicht für «Counter-Strike» interessiert hatte, spielt keine Rolle. Dieses Muster wiederholt sich danach mehrfach: Nach dem «School Shooting» an der Hochschule Virginia Tech 2007 behauptet der später diskreditierte Anwalt Jack Thompson, der Täter habe «Counter-Strike» gespielt – eine Erfindung, unwidersprochen im Live-TV geäussert, bevor der Täter überhaupt identifiziert ist.
Thompsons Begriff des «murder simulators» setzt sich trotzdem durch. Der Sündenbock ist gefunden: Schiessspiele und insbesondere «Counter-Strike» werden beschuldigt, Jugendliche zu Mördern zu machen.
In der Schweiz kommt die Debatte um «Killerspiele» mit Verspätung an. Als bei einem weiteren Amoklauf im deutschen Winnenden 2009 wieder «Counter-Strike» als Auslöser ins Spiel gebracht wird, wird die Motion «Allemann» vom Nationalrat und 2010 vom Ständerat angenommen und ein «Verbot von Killerspielen» gefordert.
Der Bundesrat legt die Motion allerdings in die Schublade, und Finanz- und Eurokrise binden die Aufmerksamkeit der Politik. Ausserdem kann die von den Befürwortern eines Verbots behauptete Gefährlichkeit von Games mit Gewaltinhalten nie nachgewiesen werden. Wiederholte Studien stellen keinen kausalen Zusammenhang fest. Auch der Versuch, «Killerspiele» mit dem Täterprofil von Amokläufern zu verbinden, scheitert – in zu vielen Fällen hatten die Täter andere Interessen.
Stattdessen spielen seit einem Vierteljahrhundert hunderte Millionen Spielerinnen und Spieler Games wie «Counter-Strike» – im selben Zeitraum hat in den Industrieländern Gewalt und insbesondere Jugendgewalt stetig abgenommen. Die behauptete Wirkung (Verrohung, Desensibilisierung, verstärkte Gewaltbereitschaft) gibt es schlicht nicht.
2004: «Counter-Strike: Source» – der Split
Vier Jahre nach Erscheinen des ersten «Counter-Strike» veröffentlicht Valve eine neue Version, basierend auf der neuen «Source»-Technologie. Das Game verzeiht mehr als das alte - unter anderem ist die «Hitbox» grösser (es ist einfacher, jemanden zu treffen). Ausserdem ist das Streumuster der Kugeln jetzt zufällig, statt wie bisher fixen Mustern zu folgen. Gute Spieler hatten diese Muster auswendig gelernt, um sie mit Mausbewegungen auszugleichen und so besser zu treffen.
Die Anpassungen gefallen nicht allen: Während die einen zu «Source» wechseln, spielen andere weiterhin das Original. Es entsteht ein Graben in der Community, der sich erst zehn Jahre später mit dem Erscheinen von «Counter-Strike: Global Offensive» wieder schliesst.
2014: «Counter-Strike: Global Offensive» – der Marktplatz
«CS:GO» erscheint 2014 und führt «Skins» ein, kosmetische Verzierungen für die Ausrüstung, die es ermöglichen, die Spielfigur zu individualisieren. Das Prinzip wird schnell beliebt. «Skins» erhält man via «Cases» (Kisten), die man im Spiel als Belohnung erhält – öffnen kann man sie aber nur mit Schlüsseln, die man kauft. Welche «Skin» in der Kiste ist, ist zufällig. Manche sind häufig, andere seltener.
Für die meisten Spieler ist eine «Skin» nicht mehr als Dekoration der Waffe, die im Game ständig im Blickfeld ist. Seltene Skins haben einen Status-Effekt – man kann damit vor Teamkollegen angeben.
Doch die «Skins» in «Counter-Strike» ziehen auch Spielsüchtige an. Das Design erinnert an einarmige Banditen: Ein Rad dreht und erzeugt Spannung, und je nach «Skin», die zufällig erscheint, ist Freude oder Enttäuschung gross.
Und die «Skins» haben einen realen Geld-Wert. Dank Marktplätzen ist es möglich, «Skins» zu handeln. Damit werden sie zu Spekulationsobjekten: Sehr seltene «Skins» können bis zu einer Million Franken wert sein. Historisch sind diese Werte gestiegen. Doch wie riskant die Investition bleibt, zeigt ein kürzlicher Crash (siehe Box).
2023: «Counter-Strike 2» – das Erfolgsrezept bleibt unverändert
«Counter-Strike» ist bis heute eines der beliebtesten Computerspiele überhaupt, und auch in der E-Sport-Szene ungebrochen erfolgreich. Der Grund: Das Spiel wurde in 25 Jahren kaum verändert.
Am besten zeigt das «Counter-Strike 2», das 2023 lanciert wurde und «Counter-Strike: Global Offensive» ablöste. Es ist praktisch dasselbe Spiel, hat die gleichen Waffen und Karten wie sein Vorgänger. Nur die Grafik und die Physik wurden hier und da etwas aufpoliert.
Der Grund: «Counter-Strike» lässt sich mit Schach vergleichen. Auch das braucht keine Änderung, um spannend zu bleiben. Weil das Spielprinzip simpel ist, ist Perfektion schwer zu erzielen. Bei «Counter-Strike» muss man sich alle Waffen und Karten perfekt merken, Fingerfertigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit maximieren; es geht um die taktische Positionierung im Gelände, die strategischen Kaufentscheidungen zwischen den Runden; und um gutes Zusammenspiel, reibungslose Kommunikation mit den Teammitgliedern und das psychologische Abtasten der Gegner.
Und so gab es immer wieder Games, die mit «Counter-Strike» konkurrieren wollten. Sie sehen moderner aus, bringen innovative Spielmechanik oder sind Einsteiger-freundlicher. Doch indem «Counter-Strike» seinem simplen Spielprinzip und dem engen Fokus auf Können und Strategie treu bleibt, trotzt es nun seit einem Vierteljahrhundert dem sonst bei Games rasanten Wandel der Zeit.
Drei «Counter-Strike»-Konkurrenten
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Bild 1 von 3. Valorant. Mit «Valorant» entwarf Riot Games explizit einen Konkurrenten zu CS. Auch hier wird 5 gegen 5 gespielt, doch der Stil ist bunter und freundlicher. Die verschiedenen Charaktere («Agenten») mit je eigenen, zum Teil magischen Fähigkeiten bringen Abwechslung ins Spiel. Doch genau deswegen ist es für «Counter-Strike»-Puristen keine echte Alternative. Bildquelle: tracker.gg.
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Bild 2 von 3. Overwatch. Auch «Overwatch» von Blizzard hat Charaktere mit verschiedenen Fähigkeiten. Es ist viel bunter und freundlicher als das militärische «Counter-Strike». Ausserdem betont es Diversität und Inklusion – bei den Charakteren wie bei den Spielern und Spielerinnen. Bildquelle: xaydungso.vn.
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Bild 3 von 3. Call of Duty. «CoD» ist vermutlich der zweite Ego-Shooter, von dem auch Nicht-Gamer gehört haben. Der Multiplayer-Modus ähnelt «Counter-Strike», allerdings gibt es mehr Möglichkeiten, das Gameplay ist schneller, Fehler werden eher verziehen. Dadurch wird Kreativität etwas stärker gewichtet als Perfektion, das Game ist zugänglicher. Bildquelle: Youtube.