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Das «Killerspiel» wird 25 «Counter-Strike»: Das Spiel, das die Politik in Panik versetzte

Kaum ein anderes Spiel hat die Geschichte der Ego-Shooter-Games so geprägt – und die Gemüter der Öffentlichkeit so erhitzt. Ein Blick zurück auf ein Vierteljahrhundert «Counter-Strike».

«Counter-Strike» war zwar nicht der erste «Ego Shooter», aber das Game hat das Genre und den E-Sport geprägt – und die Beliebtheit hält bis heute an.

Alles beginnt in den 90er-Jahren. Computerspiele gibt es schon eine Weile, Konsolen zieren seit einem Jahrzehnt die Fernsehmöbel. Dank verbesserter Grafikkarten erleben Schiessspiele, sogenannte «Ego Shooter», einen Boom: «Wolfenstein 3D» und «Doom» sind Hits.

Counter-Strike früher und heute

2000: «Counter-Strike 1.0» – Vom Volltreffer zum Bombenerfolg

Ende der Neunziger spielen zwei amerikanische Studenten eines der damals beliebtesten Computerspiele – «Half-Life» – und bauen das Game um. Sie wollen nicht alleine, sondern gegen andere spielen. Sie programmieren eine Mod (eine «modification», eine Veränderung, Anpassung des Spiels) von «Half-Life» und nennen sie «Counter-Strike».

So wird gespielt

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Fünf Personen in verschiedenen Militärkleidungen, jede zielt mit einem Maschinengewehr.
Legende: Steam

Zwei Fünferteams treten gegeneinander an. Das eine Team übernimmt die Rolle der «Terroristen». Ihr Ziel ist es, eine Bombe zu platzieren und zur Explosion zu bringen.

Das andere Team spielt die «Counter-Terroristen» und versucht, die Detonation zu verhindern. Ausserdem kann jedes Team versuchen, das andere zu eliminieren.

Eine Runde dauert 1:55 Minuten. Wer zuerst 13 Runden für sich entscheidet, hat gewonnen. In jeder Runde können Punkte erzielt werden, mit denen zwischen den Runden Waffen und Upgrades gekauft werden können.

Das ist der Hauptmodus, der kompetitiv gespielt wird und eine der wichtigsten E-Sport-Disziplinen ist. Es gibt noch andere Modi, bei denen es zum Beispiel darum geht, Geiseln zu befreien.

Die Mod ist ein Volltreffer: Rasch wird sie so beliebt, dass Valve, der Hersteller von «Half-Life», darauf aufmerksam wird. Kurzerhand kauft Valve das Spiel und stellt die zwei Studenten als Entwickler ein. Ein Jahr später erscheint «Counter-Strike» als eigenes Spiel, und bereits im Jahr darauf schlägt es «Quake» als beliebtestes E-Sport-Game überhaupt.

2002: Der Sündenbock

Im Frühling 2002 erschiesst ein 19-Jähriger an einer Schule in Erfurt 16 Personen und sich selbst. Die Tat markiert den Beginn der deutschen «Killerspiel»-Debatte: Im öffentlichen Diskurs nach Erfurt werden «Killerspiele» als eine der Ursachen der Tat bezeichnet – insbesondere das populäre «Counter-Strike».

Dass sich der Täter von Erfurt gar nicht für «Counter-Strike» interessiert hatte, spielt keine Rolle. Dieses Muster wiederholt sich danach mehrfach: Nach dem «School Shooting» an der Hochschule Virginia Tech 2007 behauptet der später diskreditierte Anwalt Jack Thompson, der Täter habe «Counter-Strike» gespielt – eine Erfindung, unwidersprochen im Live-TV geäussert, bevor der Täter überhaupt identifiziert ist.

Thompsons Begriff des «murder simulators» setzt sich trotzdem durch. Der Sündenbock ist gefunden: Schiessspiele und insbesondere «Counter-Strike» werden beschuldigt, Jugendliche zu Mördern zu machen.

In der Schweiz kommt die Debatte um «Killerspiele» mit Verspätung an. Als bei einem weiteren Amoklauf im deutschen Winnenden 2009 wieder «Counter-Strike» als Auslöser ins Spiel gebracht wird, wird die Motion «Allemann» vom Nationalrat und 2010 vom Ständerat angenommen und ein «Verbot von Killerspielen» gefordert.

Drei Personen sitzen vor einem Bildschirm, auf dem ein grauer Militär-Shooter zu sehen ist.
Legende: Die Nationalräte Chantal Gallade (SP, rechts) und Lukas Reimann (SVP, links) lassen sich von Andres Schaffhauser von «Game Rights» ein «Killerspiel» erklären. Sommersession der Eidgenössischen Räte, 28. Mai 2009. KEYSTONE/Alessandro della Valle

Der Bundesrat legt die Motion allerdings in die Schublade, und Finanz- und Eurokrise binden die Aufmerksamkeit der Politik. Ausserdem kann die von den Befürwortern eines Verbots behauptete Gefährlichkeit von Games mit Gewaltinhalten nie nachgewiesen werden. Wiederholte Studien stellen keinen kausalen Zusammenhang fest. Auch der Versuch, «Killerspiele» mit dem Täterprofil von Amokläufern zu verbinden, scheitert – in zu vielen Fällen hatten die Täter andere Interessen.

Stattdessen spielen seit einem Vierteljahrhundert hunderte Millionen Spielerinnen und Spieler Games wie «Counter-Strike» – im selben Zeitraum hat in den Industrieländern Gewalt und insbesondere Jugendgewalt stetig abgenommen. Die behauptete Wirkung (Verrohung, Desensibilisierung, verstärkte Gewaltbereitschaft) gibt es schlicht nicht.

2004: «Counter-Strike: Source» – der Split

Vier Jahre nach Erscheinen des ersten «Counter-Strike» veröffentlicht Valve eine neue Version, basierend auf der neuen «Source»-Technologie. Das Game verzeiht mehr als das alte - unter anderem ist die «Hitbox» grösser (es ist einfacher, jemanden zu treffen). Ausserdem ist das Streumuster der Kugeln jetzt zufällig, statt wie bisher fixen Mustern zu folgen. Gute Spieler hatten diese Muster auswendig gelernt, um sie mit Mausbewegungen auszugleichen und so besser zu treffen.

Ego-Shooter-Szene mit Waffe und Wand in sonniger Umgebung.
Legende: Rückstoss und Streuung führen zum immer gleichen «Spray Pattern». Das Muster ist für jede Waffe anders und muss auswendig gelernt werden, wenn man zielgenau schiessen möchte. Screenshot by esports.gg

Die Anpassungen gefallen nicht allen: Während die einen zu «Source» wechseln, spielen andere weiterhin das Original. Es entsteht ein Graben in der Community, der sich erst zehn Jahre später mit dem Erscheinen von «Counter-Strike: Global Offensive» wieder schliesst.

2014: «Counter-Strike: Global Offensive» – der Marktplatz

«CS:GO» erscheint 2014 und führt «Skins» ein, kosmetische Verzierungen für die Ausrüstung, die es ermöglichen, die Spielfigur zu individualisieren. Das Prinzip wird schnell beliebt. «Skins» erhält man via «Cases» (Kisten), die man im Spiel als Belohnung erhält – öffnen kann man sie aber nur mit Schlüsseln, die man kauft. Welche «Skin» in der Kiste ist, ist zufällig. Manche sind häufig, andere seltener.

Bunte Schusswaffen und Handschuhe, darunter Preisangaben zwischen 6000 und 22'000 Franken.
Legende: Eine hübsche Bemalung für Gewehr, Pistole, Messer oder bunte Handschuhe können mehrere hundert Franken kosten. Der begehrteste Skin soll Sammlern über eine Million Franken wert sein. skinport.com

Für die meisten Spieler ist eine «Skin» nicht mehr als Dekoration der Waffe, die im Game ständig im Blickfeld ist. Seltene Skins haben einen Status-Effekt – man kann damit vor Teamkollegen angeben.

Doch die «Skins» in «Counter-Strike» ziehen auch Spielsüchtige an. Das Design erinnert an einarmige Banditen: Ein Rad dreht und erzeugt Spannung, und je nach «Skin», die zufällig erscheint, ist Freude oder Enttäuschung gross.

Und die «Skins» haben einen realen Geld-Wert. Dank Marktplätzen ist es möglich, «Skins» zu handeln. Damit werden sie zu Spekulationsobjekten: Sehr seltene «Skins» können bis zu einer Million Franken wert sein. Historisch sind diese Werte gestiegen. Doch wie riskant die Investition bleibt, zeigt ein kürzlicher Crash (siehe Box).

Der Marktcrash

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Ein gebogenes Messer mit schwarzem Griff und Blau-Hellblau-Mellierter Klinge
Legende: Dieses Messer soll Sammlern 1.5 Millionen Franken wert sein. Steam

Am 23. Oktober 2025 lässt ein Update den «Skin»-Markt von «Counter-Strike» einbrechen – dabei werden zwei des insgesamt sechs Milliarden US-Dollar starken Marktes vernichtet.

Was ist passiert?

«Skins» haben verschiedene Seltenheits-Kategorien. Bisher konnte man zehn «Skins» in eine «Skin» einer selteneren Kategorie umwandeln. Dies galt aber nicht für die zwei seltensten Kategorien.

Nach dem Update wurde es plötzlich möglich, fünf «Skins» der drittseltensten Kategorie in eine «Skin» der zweitseltensten Kategorie (Messer und Handschuhe) umzuwandeln. Dadurch verloren diese massiv an Wert.

2023: «Counter-Strike 2» – das Erfolgsrezept bleibt unverändert

«Counter-Strike» ist bis heute eines der beliebtesten Computerspiele überhaupt, und auch in der E-Sport-Szene ungebrochen erfolgreich. Der Grund: Das Spiel wurde in 25 Jahren kaum verändert.

Am besten zeigt das «Counter-Strike 2», das 2023 lanciert wurde und «Counter-Strike: Global Offensive» ablöste. Es ist praktisch dasselbe Spiel, hat die gleichen Waffen und Karten wie sein Vorgänger. Nur die Grafik und die Physik wurden hier und da etwas aufpoliert.

Der Grund: «Counter-Strike» lässt sich mit Schach vergleichen. Auch das braucht keine Änderung, um spannend zu bleiben. Weil das Spielprinzip simpel ist, ist Perfektion schwer zu erzielen. Bei «Counter-Strike» muss man sich alle Waffen und Karten perfekt merken, Fingerfertigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit maximieren; es geht um die taktische Positionierung im Gelände, die strategischen Kaufentscheidungen zwischen den Runden; und um gutes Zusammenspiel, reibungslose Kommunikation mit den Teammitgliedern und das psychologische Abtasten der Gegner.

«Cyka blyat!» Die toxischste Community im Netz?

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Ein Spieler hockt sich über einen am Boden liegenden «toten» Spieler, um Oralsex zu imitieren
Legende: «Teabagging» – geschmackloser Spass oder schlaue Taktik, um den Gegner aus der Reserve zu locken? Steam

Es ist schwer zu sagen, welche Community im Internet die «toxischste» ist. Die von «Counter-Strike» ist auf jeden Fall dafür berüchtigt.

Es ist weit verbreitet, dass Team-Mitglieder beschimpft werden, es wird geflucht, Rassismus und Sexismus gehören oft dazu.

Wieso ist das so? Das Game ist sehr kompetitiv, niemand will den hart erarbeiteten Rang verlieren. Der Druck ist hoch. Gleichzeitig ist man vom Team abhängig. In der Anonymität des Online-Spiels ist es nicht überraschend, dass die Nerven blank liegen und der Ton ruppig werden kann.

Gleichzeitig fehlen Strukturen wie in einem Sportverein, wo Sportlichkeit und der richtige Umgang mit Gegnern und dem Verlieren dem Nachwuchs von Trainern und erfahrenen Spielern beigebracht werden.

Stattdessen ist der raue Umgangston zu einer Art Kultur geworden. Viele haben sich daran gewöhnt oder sehen es gar als eine legitime Ausdrucksform der Subkultur oder als eine Form von «Trashtalk».

Und wem der Ton verleidet, spielt entweder nur noch im festen Freundeskreis oder wechselt zu anderen Games.

Und so gab es immer wieder Games, die mit «Counter-Strike» konkurrieren wollten. Sie sehen moderner aus, bringen innovative Spielmechanik oder sind Einsteiger-freundlicher. Doch indem «Counter-Strike» seinem simplen Spielprinzip und dem engen Fokus auf Können und Strategie treu bleibt, trotzt es nun seit einem Vierteljahrhundert dem sonst bei Games rasanten Wandel der Zeit.

Drei «Counter-Strike»-Konkurrenten

Radio SRF 3, 7.11.2025, 18:10 Uhr.

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