Zwei Spiele, zwei Perspektiven: Die neuen Schweizer Games «Pocket Boss» und «Time Flies» laden dazu ein, spielerisch über das Leben nachzudenken. Während man im einen Spiel Diagramme für einen grössenwahnsinnigen Chef manipuliert, fristet man im anderen ein Dasein als Eintagsfliege – und fragt sich, was in dieser kurzen Zeit wirklich zählt.
1. «Pocket Boss»: Kuchendiagramm-Trip
Im neuen Schweizer Game «Pocket Boss» nervt uns der Chef mit ständigen Chat-Nachrichten, gerne auch mitten in der Nacht. Er schickt uns dann ein Kuchen-Diagramm, das einen ungenügenden Marktanteil zeigt – und will, dass wir es frisieren und besser aussehen lassen.
Wir werden also zum unfreiwilligen Speichellecker, der die Realitätsferne des Chefs unterstützt. Das mag einige unangenehm an ihren eigenen Büro-Alltag erinnern. Und zumindest in der ersten Hälfte wirkt das Game wie eine gar simple Kapitalismus-Kritik.
Doch dann sinken wir immer mehr in die Diagramme ein, die ein Eigenleben entwickeln. Jedes Diagramm ist ein kleines Mini-Game, das sich beispielsweise auch auf bekannte Games wie «Flappy Bird» bezieht. Das Manipulieren der Daten wird zum revolutionären Akt, wir widersetzen uns dem postfaktischen Chef und halluzinieren einen Büro-Trip, um eine gesunde Work-Life-Balance wiederherzustellen.
2. «Time Flies»: Was ist ein erfülltes Leben?
In «Time Flies» spielen wir eine Fliege, die nur etwa eine Minute lang lebt. In dieser kurzen Zeit erkunden wir Zimmer und interagieren mit allerlei Gegenständen wie einer Standuhr, einem Teleskop oder einem Grammophon – und versuchen, eine «Bucket List» mit obskuren Lebenszielen zu erfüllen.
Dann stirbt die Fliege – oft überraschend komisch – und wir beginnen mit einer neuen Fliege von vorn. Der einzelne Durchgang ist kurz, doch weil es so viel zu entdecken und rätseln gibt, können wir uns einige Stunden mit dem Spiel beschäftigen.
Das Game ist eine eigenwillige Interpretation des beliebten Genres der «Rogue Likes». In diesen Games steigen wir in der Regel in ein gefährliches Verlies hinunter, kämpfen gegen Monster und finden bessere Ausrüstung – und wenn die Figur stirbt, fängt alles wieder bei Null an.
In den meisten Spielen dieses Genres ist es jedoch möglich, bestimmte Verbesserungen über den Tod hinaus mitzunehmen. Beispielsweise verliert man das tolle Schwert, doch eine neu entdeckte Tür bleibt auch für den nächsten Durchgang geöffnet.
Genau so funktioniert auch «Time Flies»: Auch das kurze Leben einer unbedeutenden Fliege kann die Ausgangslage für die folgenden Generationen verbessern. Und so fliegen wir in das Pissoir einer Kunstgalerie oder zünden eine Tischbombe und meditieren dabei leicht und bekömmlich darüber, dass Sterben ein Teil des Lebens ist.