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Medienkonsum Keine Bildschirme für Kinder unter drei – und dann Ego-Shooter?

Kinder, die keine Grenzen mehr akzeptieren, keine Frustrationstoleranz mehr haben, Wutanfälle bekommen oder sich nur schlecht ausdrücken können: Das sind mögliche Folgen von zu viel Bildschirmzeit. Kein Wunder: Bildschirmzeit beeinflusst unser Hirn. Manchmal allerdings auch zum Guten.

Dass schon Kleinkinder auf irgendeinen Bildschirm starren, ist heutzutage nichts Aussergewöhnliches. Wissenschaftler sehen das allerdings sehr kritisch – vor allem bei Kindern unter drei Jahren.

Forscherinnen und Forscher am Kinderkrankenhaus von Seattle untersuchen seit Jahren die Auswirkungen des Fernsehkonsums auf Kinder. Sie glauben, dass ein Kind, das regelmässig schnellen Bild- und Tonfolgen ausgesetzt ist, langfristig Schwierigkeiten haben kann, sich auf Aufgaben zu konzentrieren, die Zeit brauchen. Also zum Beispiel Lesen und Schreiben. Auch Schlafstörungen, Gewichtsprobleme und Lernstörungen sehen sie als Folge längerer Bildschirmzeit.

Keine Bildschirme für Kleinkinder

Der Fernsehbildschirm ist längst nicht mehr die einzige Sorge der Forschenden. Smartphones und Tablets sind Teil unseres Alltags geworden, wir organisieren, kommunizieren, informieren uns über die Geräte.

Studien an Hunderten von Kindern haben ergeben: Je häufiger die Kinder vor einem Bildschirme sitzen, desto später lernen sie sprechen. Selbst die ständige Nutzung des Handys durch die Eltern beeinträchtigt anscheinend den Spracherwerb.

Die offiziellen Empfehlungen der meisten wissenschaftlichen Institutionen weltweit lauten: keine Bildschirme für Kinder unter zwei bis drei Jahren. Bis zum Alter von fünf oder sechs Jahren raten sie, die Dauer auf eine Stunde pro Tag zu begrenzen, vorzugsweise in Begleitung eines Erwachsenen – und nicht während Mahlzeiten oder vor dem Schlafengehen.

Unser Hirn liebt Likes

Und dann kommt die Teenagerzeit. Viele Eltern mit Kindern in diesem Alter fragen sich: Wann ist der Medienkonsum meines Kindes zu viel – ist es schon süchtig? Forschende der Universität Fullerton in Kalifornien haben analysiert, warum digitale Medien eine so hypnotische Anziehungskraft ausüben und wie unser Gehirn auf soziale Netzwerke reagiert.

Vier Stunden pro Tag am Handy

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Handy und Internet bestimmen den medialen Alltag von Jugendlichen in der Schweiz.

  • Die selbst geschätzte Nutzungsdauer des Handys liegt unter der Woche bei 3 Stunden täglich und an einem Wochenendtag bei 4 Stunden, 15 Minuten. Das ergibt einen Durchschnitt von 3 Stunden, 55 Minuten pro Tag.
  • Die Dauer der Internetnutzung liegt unter der Woche bei 3 Stunden, 14 Minuten und am Wochenende bei fast 5 Stunden.

Die Jugendlichen kommunizieren vor allem mit dem Handy über WhatsApp, Instagram oder Snapchat.

In den sozialen Netzwerken setzten die Mädchen die Trends. Sie nutzen TikTok und Pinterest stärker als die Jungs. Diese gamen dafür häufiger. Soziale Netzwerke sind immer noch sehr wichtig im medialen Alltag von Jugendlichen in der Schweiz. Dazu gehört auch YouTube. 30 Prozent der Jugendlichen hat zudem ein Video- und Musik-Streaming-Abo von Netflix, Spotify & Co.

79 Prozent der befragten Schweizer Jugendlichen spielen zumindest ab und zu Games: An einem Wochentag liegt die durchschnittliche Spieldauer bei einer Stunde, an einem Tag am Wochenende bei zwei Stunden.

 Quelle: JAMES Studie 2022

Ergebnis: Soziale Medien nutzen unser Belohnungssystem im Hirn als Einfallstor, um unsere Aufmerksamkeit zu fesseln.

Belohnungen im Hirn entstehen im Alltag durch zwischenmenschliche Interaktionen, etwa eine nette Geste oder ein Lob. In den sozialen Medien hingegen erhalten wir gleich hunderte solche Belohnungen auf einmal – durch Likes, Kommentare und Reposts. Diese Belohnungsflut macht regelrecht süchtig, darum greifen wir ständig zum Handy und checken unsere Accounts.

Games als Behandlungsmethode

Bei Videospielen ist das Phänomen noch eindrucksvoller, grenzt zuweilen an Abhängigkeit. Computerspielsucht ist seit 2018 offiziell als Krankheitsbild anerkannt .

Besonders angeprangert werden jeweils Computerspiele, bei denen man aus der Ich-Perspektive mit einer Waffe «in der Hand» so viele Feinde wie möglich töten muss – die sogenannten Ego-Shooter. Paradoxerweise verbessern aber gerade sie bestimmte geistige Fähigkeiten: die Aufmerksamkeitsfähigkeit.

Wer regelmässig Ego-Shooter spielt, schneidet bei Aufmerksamkeitstests besser ab. Aus dieser unerwarteten Entdeckung entstand ein Spiel zur Behandlung von Aufmerksamkeitsstörungen. Die US-Gesundheitsbehörde hat 2020 seine Wirksamkeit anerkannt. «EndeavorRX» ist nun das erste Ego-Shooter-Game, das zu therapeutischen Zwecken auf dem Markt ist .

SRF 1, Puls, 18.9.2023, 21:05 Uhr

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