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«Book Bans» in den USA Neue Welle von Buchverboten an US-Schulen

Schulen in den USA erleben eine beispiellose Welle von Buchverboten. Seit 2021 dokumentiert der US-Autorenverband PEN America über 16'000 «Book Bans» – ein Ausmass, das laut PEN seit der McCarthy-Ära der 1950er-Jahre nicht mehr erreicht war. Quantität und Vorgehen veränderten sich zuletzt drastisch.

Anfänglich beanstandeten vor allem Einzelpersonen Bücher zur Prüfung, erklärt Kasey Meehan, Leiterin des «Freedom to Read Program» bei PEN America. Heute existieren zunehmend auch Listen von republikanischen Gouverneuren, Schulbehörden oder sogar Gesetze, die pauschal ganze Themenbereiche verbieten. Dies zielt auf die Eliminierung von Narrativen und spiegelt die Polarisierung der US-Kulturkämpfe wider.

Florida als «Blueprint»

Florida dient dabei als eine Art Entwurf für ein landesweites Vorgehen. Gesetzesinitiativen und Formulierungen aus Florida tauchen später in Richtlinien anderer Staaten wie Iowa, Utah und Tennessee wieder auf, so Meehan. Die aktuelle Einschüchterungstaktik in Florida sei deswegen alarmierend.

In Florida übte das Bildungsministerium unter anderem massiven Druck auf einen Schulbezirk aus, mit der Forderung, angeblich «pornografische» Literatur zu entfernen. Andernfalls drohten rechtliche Schritte.

Dies führte dazu, dass andere Bezirke in Florida vorsorglich Bücher entfernten, oft ohne Prüfung der Inhalte. Floridas Vorgehensweise dient in anderen Bundestaaten oft als Vorlage. Daher könnte sich diese Einschüchterungstaktik bald verbreiten.

«Book Bans» waren einst ein lokales Phänomen, hätten sich nun aber auf nationaler Ebene ausgeweitet und würden auch von der Trump-Administration vorangetrieben.

Im Visier: LGBTQ+ und Geschichte

Als vom «Book Ban» betroffen definiert PEN America jedes Buch, das zuvor in öffentlichen Schulen zugänglich war und dann aufgrund seines Inhalts entfernt wurde. Im Visier stehen insbesondere Werke, die sich mit LGBTQ+-Themen, US-Geschichte, Rassismus und Sexualität auseinandersetzen. Konservative Gruppen argumentieren, diese Bücher seien altersunangemessen oder würden bestimmte Ideologien fördern.

Ein mehrfach verbotenes Buch ist die Graphic Novel zum «Tagebuch der Anne Frank». Grund: Eine Szene, in der Anne Frank flüchtig über eine Beziehung mit einer Frau nachdenkt. Obwohl diese Gedanken auch im Originaltext stehen, werden die Zeichnungen in der Graphic Novel vermutlich als zu explizit empfunden, erklärt Kasey Meehan.

Sie sieht darin einen Trend: Graphic Novels würden besonders oft verboten, vermutlich, weil sie Geschichten und Themen auf sehr zugängliche Art präsentieren.

Konsequenzen und Widerstand

Dieser Trend sei alarmierend, sagt Kasey Meehan. Schülerinnen und Schülern werde der Zugang zu wichtigen Informationen und Geschichten genommen, die sie bräuchten. Die Literatur sei fundamental für kritische Denkfähigkeit, Empathie und Selbstwahrnehmung, so Meehan.

PEN America stellt sich deswegen diesem Trend der Buchverbote aktiv entgegen. Die Organisation registriert Verbote und ruft die Öffentlichkeit auf, selbst ein verbotenes Buch zu lesen und sich mit der Frage, wieso das Buch ungeeignet sein soll, herauszufordern.

Das sind die am häufigsten verbotenen Bücher

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PEN America hat seit 2021 landesweit fast 16'000 Buchverbote an öffentlichen Schulen dokumentiert. Allein im Schuljahr 2023–2024 stellte PEN America mehr als 10'000 Buchverbote fest, die mehr als 4000 verschiedene Titel betrafen. Etwa 45 Prozent der Verbote entfallen auf den US-Bundesstaat Florida. Zu den am häufigsten verbotenen Büchern im betreffenden Schuljahr gehören:

Jodi Picoult: «Nineteen Minutes». Ein Buch über die Momente vor einem Amoklauf an einer Schule, einschliesslich der Ereignisse, die zu dem Vorfall führten und der Folgen.

John Green: «Looking for Alaska». Ein 16-jähriger verliebt sich im Internat in seine Mitschülerin und kommt ihr näher – bis sie bei einem Unfall ums Leben kommt. 

Stephen Chbosky: «The Perks of Being a Wallflower». Ein Coming-of-Age-Roman über Liebe, Drogen und die «Rocky Horror Picture Show».

Patricia McCormick: «Sold». Die Geschichte eines Mädchens, das an eine Mädchenhändlerin verkauft wurde, und in einem Bordell in Kalkutta zu Hause ist.

Diese Taktik des Widerstands ist auch in einigen Buchläden in den USA zu beobachten. Inzwischen gibt es ganze Regale mit der Aufschrift «Banned Books» – verbotene Bücher präsentiert wie ein neues Genre.

Radio SRF 2 Kultur, 10.9.2025, 7:06 Uhr

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