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ESC als Wahlkampfthema Könnte der Eurovision Song Contest Erdogan Stimmen kosten?

Viele Türkinnen und Türken wollen, dass ihr Land wieder am Eurovision Song Contest teilnimmt. Vor den Wahlen am Wochenende hat die Opposition das Thema für sich entdeckt.

Genau 20 Jahre ist es her, dass die Sängerin Sertab Erener mit dem Lied « Every way that I can » zur ersten und bisher einzigen türkischen Eurovisions-Siegerin wurde. Die Türkei stand damals an der Schwelle zur Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Europäischen Union. Sie feierte den Eurovisions-Sieg als Bestätigung ihrer europäischen Identität.

Sertab Erener bei ihrer ESC-Performance 2003
Legende: Mit ihrem Siegerlied «Every way that I can» stürmte Sertab Erener 2003 die Charts. Danach wurde es ruhiger um die Sängerin. IMAGO / TT

Heute denken Türkinnen und Türken mit Wehmut an diesen Abend zurück. «Sertab Erener – wie sollte ich mich nicht erinnern?», sagt eine Spaziergängerin in einem Istanbuler Park. «Das war so ein schöner Wettbewerb, und sie hatte so eine tolle Show!»

Eine Frage der Werte

Trotz einiger guter Platzierungen konnte die Türkei nach 2003 nicht an Sertab Ereners Erfolg anknüpfen. Und seit nunmehr zehn Jahren nimmt das Land nicht mehr an dem Wettbewerb teil.

Der türkische Staatssender TRT begründete den Rückzug damit, dass beim Eurovision Song Contest gegen moralische Werte des Landes verstossen werde, zum Beispiel beim Sieg des österreichischen Travestiekünstlers Conchita Wurst im Jahr 2014.

Conchita wurst bei iher ESC-Performance mit langen, schwarzen Haaren, Bart und goldenem Kleid.
Legende: 12 Punkte für Österreich: Mit «Rise Like a Phoenix» legte Conchita Wurst einen denkwürdigen Auftritt beim ESC 2014 hin – und gewann damit den Wettbewerb. EPA/NIKOLAI LINARES DENMARK OUT

«Ich kann als öffentlicher Sender doch nicht live im Abendprogramm jemanden mit ungewissem Geschlecht auftreten lassen, der einen Bart und einen Rock trägt und Mann und Frau zugleich sein will», sagte der damalige TRT-Generaldirektor Ibrahim Eren.

ESC-Rückkehr erwünscht

Seitdem sind die Türken und Türkinnen zum Zuschauen verurteilt. Wenn an diesem Samstag ein Millionenpublikum nach Liverpool blickt, wo das diesjährige Finale des Song Contests stattfindet, werden auch viele Türkinnen und Türken darunter sein. Umfragen zeigen, dass sich mehr als 95 Prozent aller Türken eine Rückkehr ihres Landes zum Eurovision Song Contest wünschen.

Auch die Spaziergänger in Istanbul sehen das so. «Auf jeden Fall sollte die Türkei mitmachen, sie gehört schliesslich zu Europa», sagt Manuel, ein Mann mittleren Alters. Auf eine Rückkehr zur Eurovision hoffen auch drei Studentinnen in Kopftüchern: «Das würde unsere Gesellschaft zusammenbringen», sagt eine der jungen Frauen.

ESC als Wahlkampfthema

In der Türkei wird am Sonntag gewählt – also am Tag nach dem Eurovision-Finale. Die türkische Opposition hat das Thema erkannt. Der Oppositionspolitiker Ali Babacan vom Sechs-Parteien-Bündnis macht den türkischen Eurovision-Fans Hoffnung.

Oppositionspolitiker Ali Babacan spricht auf einer Bühne in ein Mikrophon.
Legende: Erdogans Herausforderer Ali Babacan sieht im ESC eine Chance, die Türkei wieder näher an Europa zu bringen. IMAGO / NurPhoto

Er will den Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan nach 20 Jahren an der Macht ablösen. Babacan, der einst unter Erdogan als EU-Unterhändler die Beitrittsgespräche der Türkei in Brüssel führte, verbürgt sich für eine Rückkehr des Landes zu europäischen Werten – und zur Eurovision.

«Schon viel zu lange sind wir bei der Eurovision nicht mehr dabei», erklärt Babacan. «Wie es Sertab Erener in ihrem Song ‹Every Way that I Can› ausdrückte: Wir werden alles tun, was wir können, um wieder an dem Eurovision Song Contest teilnehmen zu können. Wir werden die Türkei auf die europäische Bühne zurückbringen.»

Sendehinweis

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Das ESC-Halbfinale mit dem Schweizer-Star Remo Forrer findet am 9. Mai 2023 statt. Der Song Contest wird ab 21:00 Uhr auf SRF zwei im TV übertragen.

Auf srf.ch und in der SRF News App zeigen wir die Show im Livestream samt Liveticker.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 09.05.2023, 07:06 Uhr

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