Sie sind bunt. Es gibt unzählige davon, in den verschiedensten Ausführungen. Man kann – möglicherweise muss man – sie sammeln, Sondereditionen zu Weihnachten oder Halloween inklusive.
Die Gel-Stifte der italienischen Marke Legami, so berichten Gratisblätter und erschrockene Eltern mehr oder weniger frisch eingeschulter Kinder übereinstimmend, sind derzeit das absolute Must-have in unseren Primarschulen.
Es stellt sich die Uralt-Frage: Wie viel Kapitalismus braucht’s im Klassenzimmer? Während bitte alle die Kunst des Schreiens, Verzeihung, Schreibens erlernen sollen, können sich eben nicht alle Erziehungsverantwortlichen leisten, jeden Trend mitzumachen.
Kleiner Trost: Es wird wohl nicht lange dauern, bis die Wissenschaft nachweist, dass die duftenden Radiergummis, die auch zur Legami-Familie gehören, weniger «dufte» sind, als man den Kids unter das Näschen reiben will.
Der Fülli war Zauberstab und Zuchtmeister zugleich.
Ein Blick zurück. Einst in den 1970er-Jahren galt alles, was nach Kugelschreiber aussah, als No-Go im Klassenzimmer. Wir krakelten unsere ersten Grossbuchstaben noch mit einem roten Bleistift ins kleinkarierte Schreibheft.
Ich erinnere mich an jenen Morgen, da mich uns das Fräulein Mettler – so nannten wir die gute Frau tatsächlich – vor die erste grosse Wahl meines Lebens stellte: roter oder blauer Füller? (Bubenblau.) Dieser «Fülli», wie man in der Schweiz sagt, ein Pelikan, war das Eintrittsticket in die wahre Wortwelt. Schreiben wie die Grossen – und es gibt kein Zurück.
Dieser Fülli war Zauberstab und Zuchtmeister zugleich: blaue Finger, Tintenkleckse im Reinheft, dazu die Dauerdrohkulisse, dass Fehler beim Schreiben nicht vorgesehen seien. Intelligenz, so schien es, bemass sich seinerzeit einzig daran, ob man die Orthografie beherrschte.
Eine «Kuh» ohne H – schon galt einer als saublöd. Schreiben hiess überdies Schönschreiben, auch wenn es öfters unschön aussah. Stichwort Streichkonzert. Erst ab der 4. Klasse war der Tintenkiller erlaubt. Auf eine Charakterschrift warteten manche Mitschüler ein Leben lang.
Aber ob Füllfeder, Frixion oder Legami: Jede Generation hat ihre Schreibwerkzeuge.
Meine eigenen, nun nicht mehr kleinen Kinder bekamen in der Schule zwar auch noch einen Füller – sie benutzten ihn allerdings selten bis nie. Bis eben war der Frixion in aller Kinderhände: ein kugelschreiberähnlicher Plastikstift mit dem Selling Point, Fehler bequem wegradieren zu können. Ein Zeichen der Zeit, praktisch und schnell. Und nun also Legami: Stifte, die man nicht nur benutzt, sondern auch «haben muss». Lifestyle für Anfänger.
Dass man neuerdings auf Legami abfährt, passt ins Bild: Schreiben von Hand soll vor allem Spass machen. Wo die Wissenschaft zwar Beweise haben will, dass es wichtig ist für das Gehirn – aber die Kids lieber Sprachnachrichten auf dem Smartphone verschicken. Aber ob Füllfeder, Frixion oder Legami: Jede Generation hat ihre Schreibwerkzeuge. Entscheidend ist nicht, womit wir schreiben, sondern dass wir schreiben. Ach, und reimt sich Legami nicht auf Jekami?