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Gottes Schutz fürs Heimtier Tiersegnung in Basler Kirche: Das ist spirituell drin für Waldi

In immer mehr Kirchen in der Schweiz sind Fido, Mitzi & Co. willkommen: Menschen bringen ihre Haustiere in den Gottesdienst, um sie segnen zu lassen. Dahinter steht der Wunsch, dem Tier ein langes Leben zu ermöglichen. Gleichzeitig wirft der Trend die Frage nach unserem Umgang mit Tieren auf.

In der Offenen Kirche Elisabethen in Basel wird an diesem Oktober-Sonntagmorgen viel gebellt. Der Gottesdienst beginnt schon bald. Etwa 40 Hunde sind hier, einzelne Katzen und etwa doppelt so viele Menschen, die ihre Haustiere zur Predigt mitgebracht haben.

Priester segnet Hund in Kirche.
Legende: Good Vibes für die tierische Gefährtin: Melida Mazdhovich hat Hündin Dazimah in die Offene Kirche Elisabethen in Basel gebracht – für die Segnung durch Pfarrer Frank Lorenz. Michael Waser

Eine davon ist die 30-jährige Melida Mazdhovich. Sie ist mit Dazimah hier, ein «Rhodesian Ridgeback», ein hochgewachsener, eleganter Hund, nussbraunes Kurzhaarfell. «Dazimah hat gesundheitlich ein sehr schwieriges Jahr hinter sich», erklärt Melida, «ich möchte ihr mit dem Segen des Pfarrers gute Schwingungen geben».

Gamse, 36, eine andere Besucherin mit Labrador Onyx an der Leine, ergänzt: «Wir unternehmen zu Hause ja auch alles, damit es unserem Hund gut geht. Bewegung, das richtige Futter, genug Schlaf. Darum will ich dem Hund jetzt auch noch göttlichen Schutz zukommen lassen.» Vielen der Besuchenden hier ist der Glaube an Gott auch persönlich wichtig, der Segen für ihr Tier darum eine bedeutungsvolle Geste.

Priester segnet Hund in Kirche neben lächelnder Frau.
Legende: Aug in Aug mit dem Pfarrer: Labrador Onyx erhält göttlichen Schutz, seine Halterin freut’s. Michael Waser

 Zusprechung des Lebens

«In der biblischen Tradition», erklärt SRF-Religionsexpertin Judith Wipfler, «wird mit dem Segen an den Schöpfer erinnert, der das Leben schenkt». Es sei wie eine Zusage: «In dir steckt Lebenskraft, göttliche Kraft und ich wünsche dir, dass du gesund wirst oder bleibst.»

Menschen und ihre Tiere hier stehen in einer Liebesbeziehung.
Autor: Frank Lorenz Pfarrer

Ein Lebewesen zu segnen, bedeute also das Zusprechen des Lebens. «Es geht um den göttlichen Schutz des einzelnen Menschen oder Tieres, aber auch um die Beziehung zwischen den beiden.» Frank Lorenz, der Pfarrer, der an diesem Sonntagmorgen in der Basler Elisabethen-Kirche die Segnungen vornimmt, betont vor allem diesen letzten Punkt.

Pfarrer predigt vor Publikum mit Hunden in der Kirche.
Legende: Pfarrer Frank Lorenz ist diplomierter Journalist, hat einen Master in Business Administration und war als Rettungssanitäter tätig. Für ihn haben Kirche und Spiritualität viele Aufgaben und viele Gestalten. Michael Waser

«Menschen und ihre Tiere hier stehen in einer Liebesbeziehung. Und alles, was in einer Liebesbeziehung verbunden ist, darf und muss nach meiner jüdisch-christlichen Tradition gesegnet werden.»

Kräutertees und Hundehotels

Die Beziehung Mensch-Tier: Gemäss den Zahlen des Verbands für Heimtierhaltung werden in der Schweiz gut drei Millionen Haustiere gehalten. Katzen machen die grösste Population aus, dahinter folgen Hunde und Kleintiere wie Hasen oder Hamster.

Fälle von falsch gehaltenen oder gar misshandelten Tieren werden zwar immer wieder bekannt, aber der Grossteil der Tiere wird von den Besitzenden sehr umsorgt.

Das lässt sich in Franken erkennen: So werden gemäss Statistik im Detailhandel über 800 Millionen Franken jährlich für Haustiere ausgegeben, die Daten stützen sich auf die eidgenössische Steuerverwaltung.

Sorge und Zuwendung für das eigene Haustier lassen sich auch aus der Vielfalt des Angebots für Nahrung, medizinische Versorgung oder Zerstreuungsmöglichkeiten ablesen. Von Tier-Kräutertees bis Hundehotels mit Bodenheizung: Die Palette ist breit. Viele sehen auch eine Art Vermenschlichung der Haustiere in dieser Entwicklung.

Dem steht gegenüber, dass in unserer Gesellschaft Tiere nicht gleich Tiere sind. Die einen werden umsorgt, gar gesegnet, damit sie möglichst lange leben, die anderen gehalten, damit sie uns Fleisch liefern.

«Das ist nicht Schöpfung, das ist Gewalt»

Das ist auch an diesem Sonntagmorgen im «Mensch-Tier-Segnungsgottesdienst» in Basel Thema unter Besuchenden. Schon in der Predigt sprach Pfarrer Frank Lorenz darüber. Die Tiere hier in der Kirche seien die Herzenstiere der Anwesenden, sagte er.

Nutztiere allerdings würden gehalten, um möglichst schnell möglichst viel Fleisch für einen möglichst hohen Preis anzusetzen. «Das ist nicht Schöpfung, das ist Gewalt und teilweise auch Hölle.» Damit trifft er den Nerv zumindest einzelner Anwesenden im Gottesdienst.

Für Melida beispielsweise ist klar, dass sie ihrem Hund Dazimah die gleiche Aufmerksamkeit und Zuwendung geben will, wie einem anderen Menschen. Für sie ist darum auch klar, dass sie kein Fleisch isst: «Selbstverständlich lebe ich vegan!»

Mit dieser Haltung ist Melida Teil einer kleinen Gruppe in unserer Gesellschaft. Gemäss der Organisation Swissveg leben in der Schweiz zunehmend mehr Menschen vegan, also gänzlich ohne tierische Lebensmittel. Aber die Gruppe ist nach wie vor klein, sie macht nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung aus. Vegetarisch, also ohne Fleisch, aber mit tierischen Produkten wie Eier oder Milch, leben etwas mehr Menschen, knapp fünf Prozent.

«Ich esse meinen Hund nicht»

Für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung gehört Fleisch zum festen Speiseplan, zur Esstradition. Das Verhältnis zwischen Mensch und Tieren ist in diesem Punkt also durchaus widersprüchlich, sagt Gamse, an diesem Morgen mit Labrador Onyx im Segnungsgottesdienst.

«Unser Verhältnis zu den Tieren lässt sich erst messen, wenn wir alle Tiere gleich behandeln. Ich esse zum Beispiel meinen Hund nicht, esse aber Kalbfleisch.» Solange das so sei, sagt die 36-jährige Baslerin, «bleibt unser Verhältnis zu Tieren sehr selektiv».

Von Wollschweinen und Ponys

Trotzdem: Der Wunsch vieler Menschen, ihren Haustieren göttlichen Segen zukommen zu lassen, scheint zu wachsen. In immer mehr reformierten und katholischen Kirchen in der Schweiz sind Tiere willkommen und werden solche Segnungsgottesdienste durchgeführt.

Die Offene Kirche Elisabethen in Basel bietet schon seit über 30 Jahren Tiersegnungen an. In den letzten Jahren seien immer mehr Menschen mit Hunden gekommen, sagt Pfarrer Frank Lorenz, aber auch schon seien hier Wollschweine gesegnet worden, letztes Jahr vier Ponys und einmal sei sogar jemand mit einer Vogelspinne dagewesen.

Von einem Marketingkonzept gegen den Mitgliederschwund in der Kirche will Frank Lorenz nichts wissen. Und auch anderswo wehrt man sich gegen diesen Vorwurf. Der Verein «Aktionskreis Kirche und Tier» mit Sitz im zürcherischen Witikon will gemäss seiner Homepage «Tieren in Gesellschaft und Kirche eine Stimme» geben.

Das Gebot der Nächstenliebe, heisst es da, schliesse auch Tiere mit ein. Dem würden an diesem Sonntagmorgen in der Kirche in Basel sicher alle Anwesenden zustimmen.

Radio SRF 3, Input, 9.11.2025, 20:15 Uhr; wilh

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