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Halluzinogene Pilze Im Rausch der Zauberpilze: Weg vom Ego, hin zur Erleuchtung?

Bis zu 40 Prozent der Menschen, die Psilocybin im Rahmen wissenschaftlicher Studien konsumieren, sprechen von spirituellen Erfahrungen. Konsumenten und Forschende betrachten, wie sie zustande kommen und ob uns Zauberpilze erleuchten können.

«Es war überwältigend», erzählt Claude Weill über seine erste Erfahrung mit halluzinogenen Pilzen. Diese machte er in einer Gruppe mit anderen Menschen zusammen und ergänzt: «Ich hatte starke Visionen, bin in andere Dimensionen gereist, in unbekannte Städte und ins All.» Als er die Augen offen hatte, habe er die Frauen und Männer neben sich als wunderschön und strahlend wahrgenommen. «Es war ein enormes Glücksgefühl», erinnert sich der heute 75-Jährige.

In der Schweiz unterliegt Psilocybin, der Wirkstoff der sogenannten Zauberpilze, dem Betäubungsmittelgesetz. Für den Privatgebrauch sind sie also illegal. Nur mit einer Ausnahmebewilligung für wissenschaftliche Studien oder im Rahmen einer Psychotherapie darf Psilocybin konsumiert werden.

Gleichwohl gibt es viele private «Underground»-Angebote, um in begleiteten Gruppen Zauberpilze und andere Psychedelika zu konsumieren. Es dauerte, bis Claude Weill eine solche fand. «Das Leiterehepaar hatte viel Erfahrung und wusste, worauf zu achten ist. Sonst hätte ich mich der Erfahrung nicht ausgesetzt», hält Weill fest. Ein gutes Setting spielte für ihn eine wichtige Rolle, also dass die Umgebung sicher ist und man sich wohlfühlt.

Getrocknete Pilze auf grünem Hintergrund.
Legende: Manche Pilze besitzen den Wirkstoff Psilocybin. Er öffnet das Tor in eine andere Wahrnehmungswelt, berichten Konsumierende: Gefühle, Gedanken und Sinneseindrücke intensivieren sich. Getty Images/Yamaguchi Haruyoshi

Das Anfangsgeschenk, wie er seine erste gute Erfahrung nennt, machte Lust auf mehr. In den vergangenen 25 Jahren «reiste» Claude Weill immer wieder einmal. Als Reise beschreiben Menschen den Trip, welchen sie mit Psychedelika erleben.

Wenn man unkontrolliert konsumiert, kann man zu Gedankenkreisen bis hin zur Panik kommen.
Autor: Franz Vollenweider Psychiater und Hirnforscher

Unterdessen kennt der Autor und Erwachsenenbildner aber auch schwierige Momente. «Das sind nicht die viel zitierten Horrortrips, bei denen man den Verstand verlieren würde. Sondern es geht um Gefühle und Themen, Schattenseiten von einem, die noch nicht bearbeitet worden sind, vielleicht auch traumatische Erfahrungen in der Kindheit», gibt Claude Weill zu bedenken.

LSD und Psilocybin in der Psychotherapie

Psychiater und Hirnforscher Franz Vollenweider warnt denn auch vor einem allzu schnellen, unbedachten Umgang mit Psychedelika. Seit Jahren forscht er zur Wirkung von Psilocybin, macht Studien mit gesunden Menschen. «Wenn man unkontrolliert konsumiert, die Dosis nicht kennt oder es ohne Begleitperson tut, die den Prozess versteht, kann man zu Gedankenkreisen bis hin zur Panik kommen.»

Wissenschaftliche Studien beginnen oft mit 1 Milligramm Psilocybin, gehen dann auf 5, 10, 15 bis maximal 40 Milligramm. «Man will, dass die Menschen nicht von einer Droge überfallen werden, sondern mitentscheiden können und selbst einen Beitrag leisten», erklärt Mediziner Vollenweider von der Universität Zürich.

In der Wissenschaft geht man heute davon aus, dass Psilocybin nicht körperlich abhängig macht. Allerdings kann es zu körperlichen Reaktionen kommen, etwa zu erhöhtem Blutdruck, Herzrasen oder Übelkeit.

Psilocybin macht nicht körperlich abhängig – wenn, dann psychisch

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Psilocybin macht körperlich nicht abhängig, weil es:

  1. keine Entzugssymptome verursacht – beim Absetzen treten keine körperlichen Beschwerden auf
  2. nicht, wie etwa Kokain oder Amphetamin, das Belohnungssystem aktiviert – es löst keine starke Dopaminausschüttung aus, die zu Sucht führen könnte
  3. schnell Toleranz aufbaut – bei häufiger Einnahme wirkt es kaum noch, was Missbrauch erschwert.

Vereinfacht gesagt stimulieren im Hirn psychedelische Substanz das serotonerge System. Dieses ist im Volksmund für Glücksgefühle zuständig. Anders ist das bei Kokain oder Amphetaminen. Diese wirken auf das Dopaminsystem ein, was wiederum das Belohnungssystem im Hirn aktiviert. Um dieselben Erfahrungen zu machen, muss mit der Zeit die Dosis erhöht werden, die körperliche Abhängigkeit entsteht.

Gemäss Psychiater Franz Vollenweider kann Psilocybin daher anders süchtig machen: weil man etwa die erlebte Einheitserfahrung wiederholen möchte oder nochmals die verschärften Sinneseindrücke haben will. «Da kann das Selbst von neuen Glaubenssystemen abhängig werden, das ist nicht gut.»

Zudem bestehe das Risiko, dass bei gesunden Menschen Psychosen ausgelöst werden, sofern es in der nahen Verwandtschaft Schizophrenien oder Manien gebe. In seiner Forschung mit rund 800 Untersuchungen sei das aber noch nie passiert, betont Franz Vollenweider. «Wahrscheinlich auch, weil wir sehr strenge Auswahlkriterien für die Teilnehmenden haben und sie engmaschig begleiten». Stimmen die Umstände, schätzt er das Risiko von Psilocybin als gering ein.

Sich mit dem grossen Ganzen verbinden

Wie Claude Weill machte auch Melanie lange Zeit einen Bogen um psychedelische Substanzen. Weil ihr Konsum in der Schweiz illegal ist, spricht Melanie hier mit einem Pseudonym. Noch heute geht sie vorsichtig und bewusst mit Zauberpilzen um: «Ich wähle jeweils eine Dosis, mit der ich jederzeit aufstehen und einigermassen ein Gespräch führen könnte», erzählt die 50-jährige Pädagogin und Körpertherapeutin.

Ich bin völlig im Hier und Jetzt, dehne mich aus und Grenzen lösen sich teilweise auf.
Autor: Melanie (Name geändert) Konsumentin psychedelischer Substanzen

«Ich will mich nicht wegspicken. Ich möchte persönlich weiterkommen mit meinen Themen und im Leben, und mich immer mehr mit dem grossen Ganzen verbinden.»

Hand legt getrockneten Pilz in einen Metallbehälter.
Legende: Psilocybinhaltige Pilze werden in der Regel als Tee aufgegossen oder in Kapselform eingenommen. Getty Images/Hyoung Chang/The Denver Post

Für sie sind es spirituelle Erfahrungen, die sie mit den Zauberpilzen macht: «Ich bin völlig im Hier und Jetzt, dehne mich aus und Grenzen lösen sich teilweise auf. Ich bin mit allem verbunden. Im Wald spüre ich zum Beispiel, wie die Bäume miteinander kommunizieren. Das klingt abgehoben, aber so erlebe ich es wirklich.»

Mystische Erfahrungen

Sowohl Melanie als auch Claude Weill können unterdessen ohne Substanzen «reisen». Ihr Körper wisse, wie es sich anfühle, berichtet Melanie. «In einer Meditation und mit meiner Trommel verbinde ich mich mit dieser Energie der Zauberpilze. Das ist ein Riesengeschenk.»

Buchhinweis

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Claude Weill: «Elysium hin und zurück – Mit Psychedelika unterwegs in der zweiten Lebenshälfte». Edition Spuren, Winterthur 2020.

Claude Weill geht heute seltener auf «die Reise», «mein Alltag ist spiritueller geworden», erzählt er. «Ich nehme heute die Dinge einfach wahr und bewerte sie weniger. Einverstanden sein mit dem, was ist, kann ungemein befreiend sein.» Die Einheitserfahrungen wiederum, die Weill auf seinen Trips gemacht hat, würden ihm die Angst vor dem Tod nehmen. «Eigentlich», so Weill, «sind psychedelische Erfahrungen Übungen im guten Sterben. Das Ego muss auf dem Trip jedes Mal ein bisschen sterben, damit man sich der Erfahrung ganz hingeben kann.»

Person im bunten Lichtschein hält Hand ans Gesicht.
Legende: Psychedelische Pilze, auch «Shrooms» genannt, können Euphorie, veränderte Raum- und Zeit-Wahrnehmung, Halluzinationen und spirituelle Erfahrungen auslösen. Getty Images/Yana Iskayeva

Erfahrungen mit in den Alltag nehmen

Durch Psilocybin eins mit allem werden, das Raum- und Zeitgefühl aufheben oder Ehrfurcht vor dem Leben empfinden – von solchen mystischen Erfahrungen würden Studienteilnehmende immer wieder erzählen, weiss Franz Vollenweider: «Bei einer mittleren Dosierung sprechen 30 bis 40 Prozent der gesunden Probanden von solchen Einsichten in die Tiefe des Daseins.»

Besonders interessiert Vollenweider, wie die erlebte Selbstauflösung wahrgenommen und ins Leben integriert werde. «Um die Offenheit und Verbundenheit mit in den Alltag nehmen zu können, braucht es viel Engagement», ist er überzeugt und forscht aktuell zu diesen Integrationsbemühungen im Alltag. Psychedelische Pilze seien also keine Abkürzung, um sich mit der Welt verbunden zu fühlen und das Ego loszulassen.

Meditation und Psilocybin

Um sich darin zu üben und zu trainieren, könne Meditieren helfen. «Aus der Forschung ist bereits bekannt, dass sich durch Meditation jene neuronalen Netzwerke positiv verändern, die für die Selbstwahrnehmung und Ichhaftigkeit zuständig sind», fasst Vollenweider zusammen. Das Ego werde durchlässiger.

Vor ein paar Jahren untersuchte der Mediziner dann, wie Meditierende auf Psilocybin reagieren. Dafür machte er im Meditationszentrum Felsentor auf der Rigi ein Experiment: Eine Gruppe bekam Psilocybin, die andere ein Placebo. «Als wir die Hirnaktivitäten gemessen haben, konnten wir sehen, dass sich diese neuronalen Netzwerke umso mehr geöffnet haben, desto tiefer die Einheitserfahrung war.» Bei jener Gruppe, die Psilocybin konsumierte, dauerten die Effekte der Selbstauflösung also länger an. «Auch noch nach drei oder vier Monate stellten wir eine verstärkte Empathie fest und, dass egozentrische Züge verringert waren.»

Forschungs-Hype zum Einsatz von Psilocybin in der Psychotherapie

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Seit das LSD vom Schweizer Albert Hoffmann erfunden wurde, wird dazu geforscht: In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden Psychedelika weltweit an rund 40’000 Menschen bei Alkoholikern, Krebspatientinnen oder im Zusammenhang mit Angst und Depression erforscht. Nachdem Mitte der 1970er-Jahre der Konsum verboten wurde, ging auch die Forschung zurück. In der Schweiz blieb man aber stets dran, unter anderen Franz Vollenweider von der Universität Zürich. Heute gebe es regelrecht einen Hype: «Aktuell gibt es etwa 60 Studien, die sich intensiv mit der möglichen therapeutischen Wirkung von Psilocybin befassen», sagt er.

In der Schweiz kann eine Ärztin oder ein Psychiater Psychedelika in der Therapie einsetzen, sofern es eine Ausnahmebewilligung gibt für «die beschränkte medizinische Anwendung von verbotenen Betäubungsmitteln». Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) waren es anfangs Jahr rund 90 Fachpersonen, die solch eine Bewilligung hatten. Die Statistik des Bundesamts für Gesundheit zeigen zudem, dass die Anwendungen in den letzten Jahren stark angestiegen sind, gerade mit Psilocybin.

Das könne zu einem besseren Selbstwert führen und, dass man sich beispielsweise mehr für andere Menschen einsetzt. «Die Erfahrung können also auch Einfluss auf das Verhalten haben und das scheint mir schlussendlich wichtig», sagt Franz Vollenweider mit Blick auch auf den psychotherapeutischen Einsatz von Psilocybin.

Mystische Erfahrungen mit Psychedelika können also das Leben einer Person als auch das Zusammensein mit anderen und der Natur verändern. Aber die Substanzen bleiben illegal. Der Umgang mit ihnen braucht eine gute Vorbereitung, ein sicheres Setting und man muss sich der Risiken bewusst sein.

Brauchen Sie Hilfe in Suchtfragen?

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Eine Abhängigkeit von gewissen Substanzen – Medikamenten, Alkohol, Tabak oder illegalen Drogen – ist eine Krankheit, die behandelt werden kann. Auf der folgenden Liste finden Sie eine kleine Auswahl an Institutionen, wo Sie rasch Hilfe erhalten.

Radio SRF 2 Kultur, Perspektiven, 8.6.2025, 8:30 Uhr

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