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Künstliche Intelligenz Alle wollen KI regulieren – die Schweiz wartet erst einmal ab

China, die USA und Europa haben Vorschläge für die Regulierung von KI gemacht. Gerät die Schweiz ins Hintertreffen?

China will die Entwickler von generativer künstlicher Intelligenz für die Ergebnisse ihrer Systeme verantwortlich machen – also von KIs, die auf Befehl Bilder malen oder Texte schreiben. Die chinesischen Behörden haben Mitte April den Entwurf einer Verordnung vorgestellt, die Bussen und Strafen vorsieht, sollte generative KI Inhalte erstellen, die zu Gewalt oder Diskriminierung führen – oder den Grundwerten des Sozialismus widersprechen.

Auch die USA haben letztes Jahr mit der «AI Bill of Rights» gezeigt, wie dem Einsatz künstlicher Intelligenz ein rechtlicher Rahmen gegeben werden kann. Und noch weiter ist die EU, in der seit 2018 am sogenannten AI-Act gearbeitet wird, der schon 2025 in Kraft treten könnte.

ChatGPT sorgt für viele neue Fragen

Allerdings: Wirklich umgesetzt sind neue Regeln für die künstliche Intelligenz noch nirgends. Einigkeit besteht nur darüber, dass es Regeln braucht – aber nicht, wie sie genau aussehen sollen.

Es gelten auch bestehende Regeln

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In der Diskussion rund um die mögliche Reglementierung künstlicher Intelligenz darf nicht vergessen, dass sich auch bestehende Gesetze und Vorschriften auf KI-Systeme anwenden lassen.

Viele Beobachter und Expertinnen halten es sogar für vielversprechender, auf die vorhandenen Rahmenbedingungen – etwa das Urheberrecht oder den Datenschutz – zu setzen, statt bei einer sich ständig weiterentwickelnden Technologie nach neuen Regeln zu suchen. Nur weil bei einer Anwendung KI zum Einsatz komme, so der Einwand, bedeute nicht, dass sich diese Anwendung deshalb im rechtsfreien Raum bewege.

Das hat auch mit den neusten Entwicklungen zu tun: Als die EU mit den Arbeiten am AI-Act begann, waren Systeme wie ChatGPT noch kein Thema. Doch heute bieten solche öffentlich zugänglichen Angebote eine Vielzahl verschiedener Anwendungsmöglichkeiten – und damit auch viele Möglichkeiten, sie zu missbrauchen.

Feste Regeln für Wahrscheinlichkeiten

«Diese Technologie ist um Grössenordnungen komplexer als das, was wir bisher an Techniken gesehen haben», sagt Joachim Buhmann, Professor für maschinelles Lernen an der ETH Zürich. Komplex nicht zuletzt der riesigen Datenmengen wegen, mit denen KI-Systeme trainiert werden.

Diese Technologie ist um Grössenordnungen komplexer als das, was wir bisher an Techniken gesehen haben.
Autor: Joachim M. Buhmann Professor am Institut für Maschinelles Lernen der ETH Zürich

Aus diesen Daten lernt die künstliche Intelligenz statistische Wahrscheinlichkeiten kennen. Im Fall von ChatGPT zum Beispiel, welches Wort am wahrscheinlichsten auf das vorangegangene folgt. Das bedeutet aber auch, dass es für Menschen unmöglich ist vorauszusagen, auf welche Eingabe hin die KI zu welchem Resultat kommt.

Lassen sich für ein System, das keine festen Aussagen produziert, sondern nur Wahrscheinlichkeitsaussagen, überhaupt noch feste Regeln finden? Ja, sagt Joachim Buhmann: Auch bei klassischen Maschinen gebe es manchmal ein Moment des Zufalls – und trotzdem habe man dort griffige Regeln gefunden.

Es braucht eine internationale Lösung

Doch bis diese Regeln für die KI gefunden sind, wird es noch dauern – auch in der Schweiz. Zwar hat der Bundesrat künstliche Intelligenz bereits vor fünf Jahren zu einem zentralen Thema seiner Strategie «Digitale Schweiz» gemacht. Doch jüngst erklärte Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider in einer Fragestunde des Parlaments, die Regierung werde beobachten, ob in dieser Sache Handlungsbedarf bestehe.

Vorstösse in der Schweiz

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Während sich Regierung und Behörden in der Schweiz noch mit keinen konkreten Vorschlägen gemeldet haben, wie sich KI regulieren liesse, hat es von Seiten der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft bereits entsprechende Vorstösse gegeben.

Bereits im Februar 2022 hat die Digitale Gesellschaft ein Positionspapier ( PDF ) vorgelegt und darin ein eigenes Gesetz für KI-Systeme gefordert. Der Wirtschaftsverband der ICT- und Online-Branche Swico hat Ende April ein Merkblatt ( PDF ) veröffentlicht und Digitalfirmen aufgefordert, in freiwillig transparent zu machen, wo und wie sie künstliche Intelligenz einsetzen.

Für Thomas Schneider, der sich als Vizedirektor des Bundesamtes für Kommunikation Bakom intensiv mit Fragen rund die künstliche Intelligenz beschäftigt, hat diese abwartende Haltung durchaus Gutes: «Es bringt nichts, wenn die Schweiz in dieser Sache vorprescht.»

Als Vorsitzender des KI-Komitees des Europarates ist Schneider daran, das erste verbindliche globale Abkommen zu KI zu verhandeln. Es gehe darum, eine globale Lösung zu finden, die man dann in den einzelnen Ländern mit Unterschieden umsetzen könne. Auch anderswo, in den USA oder in England, beobachte man darum derzeit bloss und überlege gleichzeitig, welche Vorschläge man selber umsetzen sollte. «Mit dieser Haltung sind wir in der Schweiz in bester Gesellschaft», so Scheider.

Radio SRF 3, Aktualität, 09.06.2023, 10:15 Uhr.

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