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Nach Studie zu Missbrauch Was bringt ein kirchliches Strafgericht in der Schweiz?

Seit der Publikation der Pilotstudie zu sexuellem Missbrauch steckt die römisch-katholische Kirche in der Schweiz in der Krise. Ein Grossteil der Taten wurde vertuscht, verschwiegen oder bagatellisiert. Jetzt gehen die Schweizer Bischöfe in die Offensive: Es soll erstmals ein nationales kirchliches Straf- und Disziplinargericht eingerichtet werden. Was ein solches Gericht bringen würde, erklärt SRF-Religionsredaktorin Léa Burger.

Léa Burger

Religionsredaktorin

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Léa Burger hat Religionswissenschaft, Politik und Gender Studies an der Universität Zürich studiert. Seit 2015 ist sie bei SRF tätig, unter anderem als Produzentin des Talks «Schawinski». Seit 2019 arbeitet sie als Fachredaktorin Religion.

Was genau ist ein kirchliches Strafgericht?

Das Gericht soll innerkirchliche Angelegenheiten lösen. Dabei geht es nicht darum, das weltliche Gericht zu ersetzen, sondern zu ergänzen. Zum Beispiel könnte es ein Berufsverbot für einen Priester verhängen oder veranlassen, dass er aus dem Klerikerstand enthoben wird. Bis jetzt werden Delikte rund um sexuellen Missbrauch in Rom behandelt – zumindest jene, die gemeldet werden.

Was kann ein kirchliches Strafgericht überhaupt bewirken?

Zum Beispiel, dass ein strafrechtlich verurteilter Missbrauchstäter innerkirchliche Konsequenzen zu tragen hat, beispielsweise ein Berufsverbot. Das gab es bei der Schweiz etwa schon beim Verstoss gegen den Zölibat, also weil ein Priester geheiratet hat. Bei Fällen von sexuellem Missbrauch zeigt die Vergangenheit, dass kaum ein Berufsverbot ausgesprochen wurde. Verurteilte Täter, die eine Gefängnisstrafe absitzen mussten, wurden stattdessen innerhalb der Schweiz in ein anderes Bistum oder ins Ausland versetzt. Hier möchte man zukünftig strenger sein und diese Leute wirklich aus dem Dienst abziehen. Doch was ein Kirchengericht tatsächlich bewirken kann, kommt stark darauf an, mit welchen Kompetenzen und Fachpersonen es ausgestattet wird.

Gibt es solche Gerichte schon in anderen Ländern?

Ja, sowohl in Holland als auch in Frankreich gibt es ähnliche Gerichte. Auch in Deutschland ist man seit einigen Jahren daran, ein solches nationales Kirchengericht einzurichten. Ganz so einfach ist das aber nicht. Denn es braucht die Erlaubnis von Rom und ist daher oft eine langwierige Sache.

Ein kirchliches Strafgericht in der Schweiz – ist das nur eine PR-Aktion in der aktuellen Krise?

Grundsätzlich könnte es viel bewegen. Auch, weil zwischen Richter und kirchlichen Mitarbeitenden mehr Distanz bestünde. Aktuell muss der Bischoff seinen eigenen Priester oder Seelsorger verurteilen. Gleichwohl wäre auch mit einem nationalen Kirchengericht diese Gewaltenteilung nur bedingt. Zudem wäre es für die Glaubwürdigkeit wichtig, dass solche Gerichtsverhandlungen transparent ablaufen und rasch externe Fachpersonen eingesetzt werden. Allenfalls könnte sich die Schweiz auch dem Deutschen Kirchengericht anhängen, das derzeit in Ausarbeitung steht. Doch das hängt vom Zugeständnis der Bischöfe und letztlich dem des Papstes ab.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 27.09.2023, 17:10 Uhr ; 

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