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Strafgericht für Kirche Bischof Bonnemain: «Glaube schon, dass das Gericht Chancen hat»

Als Reaktion auf das Bekanntwerden zahlreicher Missbrauchsfälle soll die römisch-katholische Kirche in der Schweiz ein eigenes, kirchliches Straf- und Disziplinargericht erhalten. So will es die Schweizer Bischofskonferenz. Der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain zum Ziel, den Bedingungen und Möglichkeiten eines solchen Gerichts.

Joseph Maria Bonnemain

Bischof von Chur

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Joseph Maria Bonnemain ist seit dem 15. Februar 2021 Bischof von Chur. Er wurde am 26. Juli 1948 in Barcelona/ESP geboren und am 15. August 1978 zum Priester geweiht. Er wuchs in Spanien als Auslandsschweizer auf und kam später in die Schweiz für das Studium der Medizin. 1975 studierte er dann in Rom Philosophie und Theologie.

Seit 2002 ist Bonnemain zudem der Sekretär des Fachgremiums «Sexuelle Übergriffe in der Pastoral», welches damals von der Schweizer Bischofskonferenz ins Leben gerufen wurde. Er setzt sich für die Aufarbeitung dieser Themen ein.

SRF News: Was ist das Ziel des geplanten Gerichts?

Joseph Maria Bonnemain: Gerichte, die in diesem Bereich Erfahrung haben, weil sie oft mit solchen Verfahren beschäftigt sind, in denen auch Experten in Strafrecht mitwirken, sollen gesamt für die ganze Schweiz solche Fälle behandeln und darüber befinden und entscheiden können.

Was macht ein solches Gericht?

Es geht darum, rein kirchliche Vergehen bzw. Straftaten zu beurteilen und darüber ein Urteil zu fällen. Wenn zum Beispiel ein Kleriker, ein Pfarrer etwa, übergriffig geworden ist und auch im weltlichen Bereich von einem weltlichen Strafgericht verurteilt wurde und vielleicht schon im Gefängnis sass, muss man auch in der Kirche Massnahmen treffen. Beispielsweise, ob er aus dem kirchlichen Bereich ausgeschlossen wird; was in der Entscheidungsmacht der Kirche liegt.

Um ein interdiözesanes Gericht für ein ganzes Land zu errichten, braucht man die Zustimmung von der höchsten Abteilung für Justiz im Vatikan.

Sie wollen das Gespräch suchen mit Verantwortlichen des Vatikans. Wie ist da der Ablauf? Muss der Vatikan seine Zustimmung geben?

Ja, vorgesehen ist, dass jedes Bistum, jede Diözese, ein eigenes diözesanes Gericht hat. Aber um ein interdiözesanes Gericht für ein ganzes Land zu errichten, braucht man die Zustimmung von der höchsten Abteilung für Justiz im Vatikan, der Signatura Apostolica. Mit diesen Instanzen wollen wir das Gespräch suchen.

Glauben Sie, das hat Chancen?

Ich glaube schon, ja.

Wer soll in diesem Gericht als Richter oder Richterin fungieren?

Wir brauchen Leute, die im Strafrecht und Prozessrecht Fachleute sind und auch die nötige Praxis haben.

In dieser Bischofssynode, das hat auch der Papst gesagt, ist man bereit, über alles zu sprechen.

Wie die Schweizerische Bischofskonferenz mitteilt, möchte sie sich in Rom dafür einsetzen, dass sich die Sexualmoral verändert.

Das geschieht im Rahmen der gegenwärtig stattfindenden Weltsynode. In zehn Tagen beginnt in Rom eine Synode der Gesamtkirche mit Vertretenden der Schweiz. Diese Vertretung der Schweiz wird sich entsprechend äussern.

Was heisst das in der Praxis, die Sexualmoral verändern?

Der Mensch hat viele Aspekte. Man kann einen Menschen nicht auf die Sexualität reduzieren. Ein Mensch ist eine Vielzahl von Eigenschaften, von Fähigkeiten, von Empfindungen, von Gedanken, vom Herz und vom Verstand. Der Mensch muss gesamt beurteilt werden, mit all seinen Stärken und Schwächen. Und eben: Man darf die Sexualität nicht in den Mittelpunkt stellen.

Werden Themen wie Zölibat oder Sex vor der Ehe zur Sprache kommen?

In dieser Bischofssynode, das hat auch der Papst gesagt, ist man bereit, über alles zu sprechen.

Gibt es ein solches Gericht bereits in anderen Ländern, oder wäre das ein Novum?

Nationalgerichte gibt es bereits in anderen Ländern. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es solche in Frankreich.

  Das Gespräch führte Corinna Heinzmann.

SRF 4 News, 23.09.2023, 8 Uhr ; 

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