Wenn ein Mensch mit Atmen aufhört, das Herz stillsteht, die Hirnaktivitäten erlöschen: Dann ist das Ende des Lebens erreicht. Der Mensch ist tot und alles ist vorbei. Stimmt nicht! Jedenfalls nicht in der Vorstellungswelt vieler Kulturen.
Der Tod ist der Anfang einer Reise. Diese Reise ist nicht unproblematisch, wie Richard Kunz weiss. Der Kurator der Ausstellung «Der Weg ins Jenseits» im Museum der Kulturen sagt: «Es kann viel schiefgehen auf diesem Weg. Man muss Vorbereitungen treffen.»
Der letzte Weg
Man müsse vielleicht gewisse Dinge dabei haben als verstorbene Person: wie bei Charon, dem Fährmann aus der griechischen Mythologie. Ihn müsse man bezahlen, also eine Münze dabeihaben, sonst habe man Pech. In den meisten Gesellschaften brauche es Vorbereitungen, um den letzten Weg gefahrenlos zu begehen, meint Kunz.
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Bild 1 von 8. Dia einer Beerdigungsfeier in Bali mit Kremationsturm, von 1972/73. Die Seelenreinigung und ist ein Prozess, der sich über Monate hinziehen kann. Bildquelle: Museum der Kulturen Basel.
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Bild 2 von 8. Kremationssarg aus Bali trifft auf Thangkas (Rollbilder) aus Tibet mit verschiedensten Gottheiten und eine textile Höllendarstellung aus der Mongolei. Bildquelle: Museum der Kulturen Basel.
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Bild 3 von 8. Seidene Leichendecke aus Tibet aus dem 19. Jahrhundert, vermutlich für einen hohen Geistlichen. Bildquelle: Museum der Kulturen Basel.
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Bild 4 von 8. Künstler Pedro Abilio Gonzales Flores lässt in figurenreichen Szenerien aus Gips und Holz fünf Abschnitte des Sterbezyklus lebendig werden. Bildquelle: Museum der Kulturen Basel.
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Bild 5 von 8. In China verbrennen die Hinterbliebenen Gegenstände aus Papier, die die Verstorbenen mochten: Designertaschen, Schmuck, Geld, Zigaretten, Elektronika oder Süsses. Bildquelle: Museum der Kulturen Basel.
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Bild 6 von 8. Wandbild «See you on the other side» des indonesischen Künstlers Eddie Hara, mit Ahnengesicht aus Gabun sowie Maske und Ahnenfigur aus Indonesien. Bildquelle: Museum der Kulturen Basel.
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Bild 7 von 8. Ahnenhaus-Sarg der Ga aus Ghana von 2006: Diese Sargkultur wird seit den 1950er-Jahren gepflegt. Bildquelle: Museum der Kulturen Basel.
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Bild 8 von 8. Diese Masken aus der Demokratischen Republik Kongo werden zu Beerdigungen getragen. Bildquelle: Museum der Kulturen Basel.
Die Idee, nicht das Jenseits, sondern den Weg dahin zu beleuchten, kam dem Kurator, als er im Depot des Museums zum wiederholten Mal eine Karte einer Ethnie aus Borneo in den Händen hielt. Darauf waren minutiös Wege, Kreuzungen und Abzweigungen aufgeführt: Hinweise aufs Jenseits.
«Es ist schon erstaunlich, dass sich eine Gesellschaft die Mühe macht, den Weg, den die verstorbene Person oder die Seele ab dem Tod in Richtung Jenseits beschreitet, in einer Zeichnung; in einer cartoon-artigen Darstellung festzuhalten», so Kunz.
Aufbrechen – reisen – ankommen
Diese Karte ist nur ein Ausstellungsstück unter vielen. Alle Exponate stammen aus der museumseigenen Sammlung und präsentieren sich thematisch geordnet. Die erste Station steht unter der Überschrift «Tod und Aufbruch», die zweite heisst «unterwegs». Hier sind Gegenstände zu sehen, die die Verstorbenen in unterschiedlichen Kulturen mit dabeihaben müssen, wie Amulette, Textilien und eben Landkarten.
Eine weitere Station heisst «Ankommen und Erinnern». Hier geht es um das Ende des Weges, das Ziel des Weges. Was passiert, wenn die Person ankommt? Und vor allem: Wie gehen wir als Gesellschaft damit um?
In 49 Tagen ins Jenseits
Die Vorstellung eines Weges, den der verstorbene Mensch zurücklegt, hilft den Hinterbliebenen, ihre Trauer zu strukturieren und schliesslich zu bewältigen. Und sie nimmt dem Tod etwas von seinem Schrecken. Denn mit dem letzten Weg sind nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen verbunden. Im Tibetischen Totenbuch etwa wird die Länge der Reise ins Jenseits mit 49 Tagen angegeben. Tage, in denen der oder die Verstorbene Geistern begegnet und auf sie reagieren muss.
«Mit guter Vorbereitung im Leben ist es dann möglich, nach dem Tod während dieser 49 Tage diese Erscheinungen als Emanation des eigenen Geistes zu erkennen und dann vielleicht eben doch nicht in eine Wiedergeburt einzumünden, sondern den Weg ins Nirwana zu finden», erklärt Richard Kunz.
Am Ende der Ausstellung fehlt auch der Blick auf unser westliches Todesverständnis nicht. Hier eröffnen sich Einblicke in die neuesten medizinischen Erkenntnisse der Neurologie. Die Ausstellung im Museum der Kulturen in Basel ist vielfältig. Sie regt an und lässt Raum für Gedanken an das eigene Ende – und an die damit verbundenen Vorstellungen und Wünsche.