Ob in Film, Comic oder Zigarettenwerbung: Cowboys waren Helden. Ein bisschen staubig und sehr cool. Für Generationen kleiner Buben war klar: Ich will Cowboy werden. Schlagersängerin Gitte sang 1963 «Ich will ‘nen Cowboy als Mann». Was konnte da noch schiefgehen?
Ute Behrend hinterfragt in ihrem Buch «Cowboys» den Mythos dieser Sozialfigur. Die deutsche Fotografin zeigt darin blasse Knaben und müde Männer. Labyrinthe aus Weidezäunen und phallische Kakteen. Ein besonders faszinierendes Bild präsentiert ein pinkfarbenes Fahrrad, an dessen Lenker Ledertroddeln im Bonanza-Style baumeln. Wildwest-Träume in Rosarot.
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Bild 1 von 7. Der Mythos Cowboy: In ihrem Bildband fordert ihn die Fotografin Ute Behrend heraus. Bildquelle: Ute Behrend.
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Bild 2 von 7. Fährt dieses Fahrrad ein Barbie-Cowboy? Bildquelle: Ute Behrend.
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Bild 3 von 7. Kopflose Kuh? Auch dem Cowboy fehlt da ein Teilchen. Bildquelle: Ute Behrend.
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Bild 4 von 7. Ute Behrend kreiert Stimmungen: Eine einsame Flagge und ein Rodeo-Reiter mit ehrfurchtgebietendem Hut. Bildquelle: Ute Behrend.
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Bild 5 von 7. «Pissing horse» und «Old cowboy with whiskey bottle» leisten sich auf einer Seite des Bildbandes Gesellschaft. Bildquelle: Ute Behrend.
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Bild 6 von 7. Es gibt auch mexikanische Cowboys zu sehen …. Bildquelle: Ute Behrend.
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Bild 7 von 7. … und Cowboys ohne Pferde. Bildquelle: Ute Behrend.
In einem Text erinnert sich Behrend daran, wie sie als Kind mit den Knaben aus der Nachbarschaft Cowboy spielte. Die Jungs tobten und hatten Spass. Und sie?
Ein Mädchen, das war in den frühen 1970er-Jahren klar, konnte kein Cowboy sein. «Du kannst Squaw sein», sagte einer der Jungs. Also stand sie vor einem imaginären Tipi. «Das war wirklich langweilig», erinnert sie sich. «Nach einer Weile ging ich nach Hause.»
Cowboys waren Schwarz
Die historischen Cowboys traten um 1865 auf. Nach dem Sezessionskrieg irrten verwilderte Rinderherden durchs Land, die es einzufangen galt. Viele Afroamerikaner, ehemalige Sklaven, verdingten sich als berittene Hirten. Der Job war hart. Bis zu 16 Stunden im Sattel. In den 1880er-Jahren begannen die Rancher, ihre Herden einzuzäunen. Die Cowboys wurden überflüssig.
Gleichzeitig entstand der Mythos Cowboy. Ab 1883 tourte William Frederick Cody mit seiner «Buffalo Bill’s Wild West Show» durch Amerika und Europa. Eine wilde Performance mit Schurken und Gefahren und Cody als siegreichem Helden.
Ritt auf der Zeitgeist-Welle
Romane strickten eifrig mit am Mythos. Zum grössten Transformator für den Cowboy wurde das Kino. Westernfilme verwandelten den Viehhirten in einen Mr. Cool, der mit seinem Quarter Horse auf jeder Zeitgeist-Welle reitet. Der Cowboy war Konstante im ewigen Kampf des Guten gegen das Böse, aber auch flexible Projektionsfläche für unterschiedliche Anliegen.
In den 1940er- und 1950er-Jahren steht er oft für die Durchsetzung weisser amerikanischer Gesetze und Lebensart: Er ist Vorbote der angloamerikanischen Kultur, bleibt aber naturverbunden.
Nach 1968 lässt sich seine Naturnähe prima als Kulturkritik verstehen. Der Cowboy wird zum lässigen Dauerfreizeitler. Einer, der nicht arbeitet, der sich der Leistungsgesellschaft entzieht und dafür auf einem Grashalm oder Zigarillo herumkaut.
Western-Träume aus dem Jura
In den 1970er-Jahren gab es den Versuch, den Begriff «Cowgirlstiefel» zu lancieren. Der Erfolg war mässig. Der Cowboy war flexibel. Seine Männlichkeit aber war (noch) nicht verhandelbar. Gerade das macht ihn heute zur idealen Folie für Fragen zu Queerness oder Gender. In «Brokeback Mountain» zeigt Ang Lee dass auch Cowboys Männer lieben können und in «Cowboys» von Anna Kerrigan entdeckt ein Mädchen den Mann in sich.
Der Mythos vom freiheitsliebenden Cowboy lebt fort. Zum Beispiel im Westernreiten – stilecht in Stiefeln, Hut und Flanellhemd – das sich ungebrochener Beliebtheit erfreut. Bei Männern und Frauen. In der Schweiz hat dieser Sport eine besondere Tradition: Der Schweizer Jean-Claude Dysli brachte in den 1960er-Jahren amerikanische Quarter Horses und das Westernreiten in die Schweiz und nach Deutschland.