Zum Inhalt springen

Zerstörte Denkmäler Südosteuropa verteidigt seine Mahnmale gegen die Schrottmafia

Geflügelte Augen und Beton-Ufos: In den Ländern des früheren Jugoslawien stehen tausende beeindruckender Monumente, die an den Widerstand der Partisanen im Zweiten Weltkrieg erinnern. Doch viele werden von Schrotthändlern zerstört.

  • In den Ländern des früheren Jugoslawien erinnern rund 15'000 Monumente an den Kampf der Tito-Partisanen gegen die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg.
  • Viele dieser Denkmäler zerfallen heute – oder wurden mutwillig zerstört.
  • Organisierte Banden handeln mit dem wertvollen Metall der Skulpturen.

Im Wald von Dotrščina knirscht Kies unter den Schuhen von Lana Lovrenčić. Die 35-jährige Kunsthistorikerin weist auf seltsame Gebilde zwischen den Bäumen:

«Wir nennen diesen Flecken das ‹Tal der Gräber›. Was sie dort sehen, sind Skulpturen des Bildhauers Vojin Bakić. Er schuf hier dutzende stilisierte Kristalle aus Inox-Stahl, in denen sich die Umgebung spiegelt. Es sieht aus, als würde die Skulpturen mit der Landschaft verschmelzen.»

Tausende Mahnmale für unzählige Opfer

7000 Zagreber wurden im Zweiten Weltkrieg von den Faschisten in diesem Wald ermordet. Die Stahlkristalle des Bildhauers Vojin Bakić sind nur eines von tausenden Mahnmalen, die in den ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken an die Opfer des Zweiten Weltkrieges, den Kampf von Titos Partisanen und die Befreiung vom Faschismus erinnern.

Doch nur noch wenige sind so gepflegt wie Vojin Bakićs Stahlkristalle im grünen Dickicht von Dotrščina. Seit den Kriegen in den 1990er-Jahren verfallen die meisten. «Schlimmer noch», meint Lana Lovrenčić: «Viele werden mutwillig zerstört.»

Die Kriege der 1990er-Jahre

Box aufklappen Box zuklappen

Das Denkmal strahlt nicht mehr

Unweit der Stadt Petrovac, in Zentralkroatien, erstreckt sich der Höhenzug der Petrova Gora. Hier, auf 1200 Meter Höhe, steht eines der grössten Denkmäler. Oder das, was davon noch übrig ist.

Dort, wo sich einst ein Lazarett der Partisanen befand, errichtete Vojin Bakić 1982 ein 30 Meter hohes futuristisches Museum. «Seine Front glich einer riesigen Welle», erinnert sich eine ehemalige Reiseführerin: «Sie war komplett mit polierten Stahlpanelen verkleidet. Wenn sie die Abendsonne reflektierten, schien der ganze Gipfel in Flammen zu stehen.» Heute ist Bakićs Museum eine traurige Ruine.

Skrupellose Schrottmafia

Wie es dazu kommen konnte, dokumentiert die kroatische Regisseurin Irena Skoric seit Jahren. In ihrem Film «Unerwünschte Denkmäler» berichten Metalldiebe offen vom Geschäft mit zerstörten Bronzefiguren und gefledderten Aluminium-Verkleidungen. «Ist uns doch egal, wer die Dinger bauen liessen», sagen da zwei jugendliche Roma vor der Kamera. «Hauptsache wir verdienen damit am Tag rund 70 Euro.»

Die beiden sind nur kleine Fische in dem von einer skrupellosen Schrottmafia organisierten Millionengeschäft. «Um zehn Meter lange Stahlpanele von einem 30 Meter hohen Gebäude abzumontieren, braucht man Stromaggregate, Trennschleifer und grosse LKW», konstatiert Irena Skoric in ihrem Film.

Die Gewinnspannen sind riesig: Der schwedische Stahl für Bakićs Wellenfassade kostete den jugoslawischen Staat damals sechs Millionen Dollar.

Höhere Strafen gefordert

Die Filmemacherin Skoric und die Kunsthistorikerin Lovrenčić gehören zu einer wachsenden Bewegung, die die Politiker zwingen will, die Zerstörung der Denkmäler endlich konsequenter zu verfolgen und unter schärfere Strafen zu stellen. Die Bewegung formiert sich auch um eine von Lovrenčić ins Netz gestellte Website mit dem Titel «Unangemessene Denkmäler» .

Sie soll, so beschreibt Lana Lovrenčić deren Ziel, Forscher und Wissenschaftler aus der ganzen Region verbinden. Bereits jetzt arbeiten diese an einer Strategie und Empfehlungen an die Regierungen der Nachfolgestaaten Jugoslawiens, wie sie die auf ihrem Boden befindlichen Denkmäler besser schützen können.

Hälfte aller Denkmäler bereits zerstört

An dieser Strategie-Plattform beteiligen sich inzwischen sowohl Nichtregierungsorganisationen als auch Kulturinstitutionen wie etwa die Moderne Galerie Ljubljana oder auch das Museum für Geschichte in Sarajevo.

Dass eine solche Strategie dringend notwendig ist, zeigen die aktuellen Zahlen. In Kroatien gab es 1990 noch 6000 Partisanendenkmäler. Inzwischen sind fast 3000 davon komplett zerstört.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 25.04.2017, 06:50 Uhr

Meistgelesene Artikel