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Buch von Moshtari Hilal Eine poetische Versöhnung mit der Hässlichkeit

Schiefe Zähne, grosse Nase, Damenbart: Künstlerin Moshtari Hilal schreibt über Fremd- und Selbstbilder und die Geschichte der Hässlichkeit. Mit ihrem poetischen Buch will die Künstlerin unseren Blick auf das Unschöne verändern – und sich mit ihm versöhnen.

Die Künstlerin Moshtari Hilal hat ihr Gesicht unzählige Male gezeichnet. Die grosse Nase, das kantige Kinn, die schwarzen Haare, die überall wuchern. In den Selbstportraits überspitzt und verzerrt sie die Realität.

Querschnittsportraät einer Frau mit langen dunklen lockigen HAaren
Legende: Profil von Mosthari Hilal: Für ihr Buch arbeitete die Künstlerin auch Bilder aus dem Familienarchiv mit ein. Hanser Verlag/ PRISSILYA JUNEWIN

«Indem ich das Gesicht zum Objekt mache, lässt sich der Selbsthass besser ertragen», sagt sie. Die Zeichnungen waren irgendwann nicht mehr genug. Hilal wagte sich an autobiografische Erzählungen, wissenschaftliche Texte und Gedichte. Entstanden ist ein collagenartiges Buch zur Hässlichkeit.

Mit Kunst gegen den Selbsthass

Moshtari Hilal erzählt von einer übergriffigen Tante, die ihr ungefragt die Oberlippenhaare weggeätzt hat. Sie schreibt von der Nasen-OP ihrer Schwester. Der Entscheid fiel, nachdem sie von zwei Männern auf ihren «Zinken» angesprochen wurde.

«Der eine Mann war ihr Vorgesetzter (…). Er sagte: Du wärst so hübsch ohne deine grosse Nase. Der andere (...) unser Vater. Er sagte: Was ist los mit dir. Von Tag zu Tag wird deine Nase immer grösser (...)»

Auch Moshtari Hilal hörte diese Worte von ihrem Vater. In Bezug auf das Schreiben war klar: «Ich musste von meiner persönlich empfundenen Hässlichkeit ausgehen.»

Über Moshtari Hilal

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Die Künstlerin und Kuratorin Moshtari Hilal wurde 1993 in Kabul geboren und kam im Alter von zwei Jahren nach Deutschland. Sie studierte Islamwissenschaft in Hamburg, Berlin und London mit den Schwerpunkten Gender und Dekoloniale Studien. Sie ist Mitbegründerin des Kollektivs «Afghan Visual Arts and History».

Hilal zeichnet (Selbst-)Portraits und arbeitet Bilder aus dem Familienarchiv mit ein. Ihre Werke wurden unter anderem in Deutschland, Afghanistan und den USA ausgestellt.

«Hässlichkeit» ist ihr erstes Buch und eine Weiterführung ihrer künstlerischen Arbeit. Diese beschreibt sie als Versöhnung mit Scham, negierter Schönheit und Hässlichkeit.

Sie fragte sich: «Wie steht meine Vorstellung von Hässlichkeit im historischen Zusammenhang und hasse ich mit meinem Selbsthass womöglich nicht nur mich allein, sondern viele andere Menschen?».

Und sie blickte zurück in die Geschichte. Hilal zitiert etwa die «Ugly Laws». Hässliche Gesetze, die im 19. Jahrhundert obdachlose, kranke und deformierte Menschen ausgrenzten. Weil sie «unansehnlich» waren, mussten sie von manchen Orten fernbleiben. Die normale, schöne Ordnung – erschaffen von einer Elite – sollte nicht gestört werden.

Innenseite eines Buches. Ein schwarz-weiss Bild eines Mädchens, das zerknüllt wurde
Legende: Im Internet wird Hilal als «Pferdefresse» bezeichnet. Als sie ein Kinderfoto für ihr Buch sucht, schreibt sie: «Ich suche vergeblich eine hässliche Pferdefresse. Finde nur das Bild eines Kindes, das Zähne zeigend vierzehn Jahre lang zum letzten Mal gelächelt haben wird.» Hanser

Die Linien der Dehumanisierung laufen entlang unserer Kanten, unserer Haut, durch unser Fleisch hindurch, schreibt Hilal in ihrem Buch. Sie beleuchtet damit, wie zur NS-Zeit «jüdisch aussehende» Nasen korrigiert wurden. Die Anfänge der plastischen Chirurgie.

«Der jüdische Chirurg Joseph wählte seine nicht-jüdische Frau, um das Idealbild eines weiblichen Gesichts zu illustrieren. Seine Wahl begründete er mit der Ähnlichkeit ihres Profils und Nasenwinkels mit einer Zeichnung Leonardo da Vincis, in direkter Referenz zum griechisch-römischen Profil in der Kunst (…).»

Auch heute gelten symmetrische, junge und gesunde Körper als schön. Dank Weichzeichner, Photoshop und Apps lässt sich ein idealisiertes Bild von sich selbst erstellen.

In der Realität erschaffen Beauty-Produkte, Botox und Schönheits-OPs diese faltenlose, frisch aussehende Gesellschaft. Je mehr Menschen mitmachen, desto verbindlicher wird es.

Am Ende des Buches sucht die gebürtige Afghanin die Versöhnung mit der Hässlichkeit. Dafür schaut sie sich unter anderem kranke, alte Körper an.

Hässlichkeit umarmen

Vergänglichkeit trifft uns alle, sagt Hilal: «Wie kann ich mich also so mit der Hässlichkeit versöhnen, dass ich einen Wert in mir und in anderen Menschen sehe, der unabhängig ist vom Aussehen und davon, ob wir nützlich, richtig oder normal sind.»

Es gehe darum, den Blick auf Hässlichkeit zu verändern, ergänzt die Autorin. Mit ihrem Buch öffnet sie einen Raum für eigene Reflexionen. Um sich der Hässlichkeit einer von Schönheit getriebenen Gesellschaft bewusst zu werden.

Buchhinweis

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Moshtari Hilal «Hässlichkeit», Hanser, 2023.

Die Autorin liest am 18. November 2023 an der Buch Basel und am 19. November 2023 im Theater Neumarkt in Zürich.

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