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Philosophisch durch den Alltag Operierte Schönheit – ein Versprechen von Glück?

Glatte Haut, gerade Nase, grosse Brüste: Wieso wollen wir um jeden Preis schön sein? Das Schöne weckt unsere Sehnsucht nach einem idealen Leben.

Ich habe etwas gegen Schönheits-Operationen. Warum, das weiss ich nicht so recht. Manchmal ist der Fall klar: Nämlich dann, wenn Betroffene nach der OP schlechter aussehen als zuvor. Viele aber sehen nach der OP nicht schlechter aus, sondern einfach operiert. Aber was soll daran schlecht sein? Viele Menschen sehen doch auch geschminkt aus. Das stört mich aber nicht. Was also ist es, das mich stört – auch da, wo man keine Spuren sieht?

Yves Bossart

Moderator und Philosoph

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Yves Bossart, geboren 1983, ist promovierter Philosoph und arbeitet als Redaktor und Moderator für die SRF-Sendung «Sternstunde Philosophie» .

Ist es die Tatsache, dass sich Schönheits-OPs nicht so leicht rückgängig machen lassen wie Schminke? Vielleicht. Bei Tattoos aber ist mir das egal. Oder finde ich es stossend, dass Menschen, die eigentlich ganz ok aussehen, nicht zu ihrem Aussehen stehen können?

Dass ihr Äusseres für sie so wichtig ist, dass sie «etwas machen lassen»? Machbarkeitswahn, Optimierungswahn, Oberflächlichkeit also? Vielleicht. Aber was ist mit der Anti-Falten-Crème? Die finde ich doch ok. Gibt es also eine Grenze des moralisch Unbedenklichen, irgendwo in der Mitte zwischen Haare färben und Schamlippen verkleinern? Aber wo liegt sie?

Zwanghaft schön

Vielleicht hat meine Abneigung gegen Schönheits-OPs noch einen anderen Grund: Ich vermute nämlich, dass viele «Eingriffe» – allein schon dieses Wort – nicht im anspruchsvollen Sinn «freiwillig» sind. Sondern dass die operierte Person einem Druck nachgegeben hat: dem Wunsch des Partners, der Freundin, der Gesellschaft.

Dass sie die Schönheitsideale der Werbung, der Sozialen Medien, der Schönheitsindustrie zu sehr verinnerlicht hat und deswegen unzufrieden ist mit ihrem Aussehen. Ist es das? Das Fehlen einer echten Freiheit, die Beeinflussung des eigenen Willens? Vielleicht. Aber: Sind nicht die allermeisten Bedürfnisse, die wir Wohlstandsprivilegierte haben, künstlich erzeugt? Von den Erdbeeren im Winter bis zum Surf-Urlaub auf Bali?

eine Illustration von drei Menschen, im Bikini oder den Bizeps zeigend
Legende: Habe ich genug Muckis? Sehe ich alt aus und wie steht es um meine Bikinifigur? SRF / Sandra Bayer

Problematisch an gesellschaftlichen Prozessen der Optimierung ist, dass sie die Norm immer weiter nach oben verschieben und dadurch einen zunehmenden Druck auf die Nicht-Optimierungswilligen ausüben. Je mehr Körper durch Operation optimiert sind, desto stärker ist der Druck auf die naturbelassenen Körper. Denn Schönheit ist heute, ebenso wie Bildung und Gesundheit, auch ein Wettbewerb.

Das Phänomen des «Lookism» zeigt, dass weniger schöne Menschen oft diskriminiert werden: Sie bekommen in der Schule die schlechteren Noten, finden weniger leicht einen Job und verdienen weniger Geld – von den Nachteilen bei der Partnersuche ganz zu schweigen. So ungerecht diese Zustände sind: Ich bezweifle, dass der unfaire Optimierungsdruck mein Unbehagen gegenüber Schönheits-OPs restlos erklärt. Vielleicht liegt die Ursache tiefer.

Wenn schöne Leute unattraktiv werden

Kürzlich habe ich mit einer attraktiven Frau gesprochen und dabei eine interessante Beobachtung gemacht: Je länger das Gespräch dauerte, desto unattraktiver fand ich sie. Einfach nur, weil sie bestimmte Dinge gesagt hat. Schräge Dinge, entlarvende Dinge, belanglose Dinge.

Das Innere der Person hat also auf ihr Äusseres «abgefärbt». Die Anmutung ihrer Gesichtszüge hat sich verändert. Auf einmal hatte ihr Aussehen eine andere Bedeutung. Aber wie kann das sein? Ist wahre Schönheit mehr als das, was wir auf Anhieb sehen? Oder vermische ich hier zwei Dinge, die wir säuberlich trennen sollten: äussere Schönheit und innere Werte?

Serie: Philosophisch durch den Alltag

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Der französische Dichter Stendhal nannte die Schönheit «ein Versprechen von Glück». Und ich denke, er hat recht. Das Schöne weckt unsere Fantasie und unsere Erwartung. Ein Mensch ist schön, weil sein Aussehen etwas verkörpert, ausdrückt oder symbolisiert. Das wilde, kräftige Haar steht für das ungezähmte, intensive Leben. Die reine Haut verkörpert Unschuld. Die Eleganz der Bewegungen steht für die Leichtigkeit des Seins.

Das Schöne ist also immer auch ein Symbol – für ein Leben, wie ich es mir erträume. In einem als schön empfundenen Körper spiegeln sich unsere Lebensideale und letztlich unsere individuelle Vorstellung von Glück. Schönheit ist also nie bloss etwas Äusseres. Sie ist immer ein Symbol und eine Projektionsfläche unserer Fantasie.

Das Schöne weckt unsere Fantasie und unsere Erwartung.

Was aber bedeutet diese Einsicht für meine ungeklärte Abneigung gegenüber Schönheits-Operationen? Vielleicht nur dies: Dass eine Schönheits-Operation nie garantieren kann, dass man nach einem Gespräch immer noch schön aussieht. Schönheit ist zwar immer ein Versprechen, manchmal aber eben nur ein hohles.

Eine letzte Frage aber muss erlaubt sein: Was wäre, wenn allein die Schönheits-OP ermöglicht, dass ich mein inneres Leuchten wiederfinde – und somit auch das, was wahre menschliche Schönheit ausmacht: nämlich Ausstrahlung?

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