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Experte im Interview ESC, Israel, Boykotte: Was bedeutet das für die Zukunft des ESC?

Israel darf am Eurovision Song Contest (ESC) 2026 in Wien teilnehmen – das hat die Europäische Rundfunkunion (EBU) in Genf entscheiden. Die Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten: Die öffentlich-rechtlichen Sender von vier Ländern haben ihre Teilnahme am Wettbewerb zurückgezogen. Was heisst das für die Zukunft des ESC? Irving Wolther, Journalist und Autor der ersten Doktorarbeit über den ESC, ordnet ein.

Irving Wolther

Sprach- und Kulturwissenschaftler

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Irving Wolther (geb. 1969) promovierte 2006 an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover über den Eurovision Song Contest. Deswegen wird er oft als «Dr. Eurovision» bezeichnet. Seit 2008 unterrichtet er Public Relations für Musikwettbewerbe im Rahmen des Hannover Song Contests «Hören!».

Foto: IMAGO / Henning Scheffen

SRF: Wie beurteilen Sie den Entscheid der EBU?

Irving Wolther: Der ESC war nie das fröhliche, unpolitische Musikfest, als das ihn manche Kommentatoren nun nostalgisch verklären. Er war stets ein Ort internationaler Fernsehzusammenarbeit. Dass einzelne Sender versuchen, durch massiven Druck einen anderen Sender auszuschliessen, ist der eigentliche Skandal der Ereignisse: Es trifft nicht die israelische Regierung, sondern den israelischen öffentlich-rechtlichen Sender KAN – eine der wenigen Stimmen, die sich im eigenen Land kritisch gegenüber der Politik Netanyahus äussern.

Was waren die Gründe für die Sender, aus dem ESC auszusteigen? 

Die Rückzüge Spaniens, Irlands, Sloweniens und der Niederlande sind womöglich weniger Ausdruck moralischer Prinzipien als eine Mischung aus innenpolitischen Reflexen und finanziellen Erwägungen. Irlands Rundfunk hat bereits vor Monaten eingeräumt, im Fall eines Sieges die Ausrichtung nicht stemmen zu können.

Die meisten der nun Boykottierenden scheiterten ohnehin regelmässig schon im Halbfinale.

Slowenien ringt seit Jahren mit der Frage, ob sich die Teilnahme überhaupt rechnet. Erst 2024 wurde aus Kostengründen die nationale Vorentscheidung gestrichen. Da kommt das Israel-Narrativ als Möglichkeit eines Rückzugs mit (vermeintlich) erhobenem Haupt sehr zupass. Die meisten der nun Boykottierenden scheiterten in den vergangenen Jahren ohnehin regelmässig schon im Halbfinale.

Welche Konsequenzen gibt es für die Ausgabe 2026 in Wien?

Eins ist sicher: Die Finanzierung des Wettbewerbs in Wien gerät durch den Rückzug dieser Länder nicht derart ins Wanken, dass der Fortbestand des ESC gefährdet wäre. Der ORF trägt als Gastgeber traditionell die Hälfte der Kosten, die andere Hälfte teilen sich die restlichen Teilnehmerländer.

Vielleicht ist der Moment gekommen, überdimensionierte Pausenacts zu überdenken.

Ja, Spaniens Beitrag entfällt – doch mit der Rückkehr Rumäniens und Bulgariens wächst die Gemeinschaft wieder. Und vielleicht ist der Moment gekommen, überdimensionierte Pausenacts zu überdenken, die in den vergangenen Jahren unverhältnismässige Summen verschlungen haben.

Welche Debatte hat der EBU-Entscheid ausgelöst?

Was bleibt, ist eine Debatte, die weit über den ESC hinausweist: Wie geht es weiter mit der Zweistaatenlösung? Wie mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Europa? Dass staatlich finanzierte Kampagnen zur Unterstützung eines ESC-Beitrags künftig untersagt sind, betrifft alle. Ausgerechnet Israel zum Sündenbock einer Praxis zu machen, die seit Jahren üblich ist, sagt mehr über die politischen Empfindlichkeiten der Boykottierenden aus als über vermeintliche Unfairness.

Was bedeutet das nun für die Zukunft des ESC?

Das ESC-Motto «United by Music» bedeutet nicht, Konflikte zu ignorieren – sondern diejenigen zu stärken, die trotz allem den Dialog suchen. Der ESC wird auch diese Krise überstehen. Denn seine Bedeutung liegt nicht in der Illusion eines unpolitischen Festes, sondern in der Fähigkeit, Kooperation trotz politischer Stürme aufrechtzuerhalten.

Die Grundlage für dieses Interview sind schriftliche Aussagen des Experten.

Radio SRF 1, HeuteMorgen, 5.12.2025, 6:00 Uhr ; 

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