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Neue Zahlen Der Schweizer Musikmarkt boomt – aber bei Spotify klemmt's

Die Musikindustrie verzeichnet dank Streaming das grösste Wachstum seit 1993. Aber die Schweizer Musikschaffenden profitieren von der Entwicklung kaum.

Wenn Schweizer und Schweizerinnen Musik hören, dann meist per Streaming. 2021 wurden im Schweizer Tonträgermarkt insgesamt 215.3 Millionen Franken Umsatz erwirtschaftet.

Über 80 Prozent davon stammen aus dem Streaming-Segment. Das entspricht einem Plus von 10.5 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie der Branchenverband der Schweizer Musiklabels IFPI am Dienstag mitteilte.

IFPI Schweiz

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Die IFPI Schweiz ist der Branchenverband der Schweizer Musiklabels mit rund 40 Mitgliedern. Nach eigenen Angaben repräsentieren sie gemeinsam über 90 Prozent des Schweizer Musikmarkts.

Die Ländergruppe Schweiz wiederum ist Mitglied des Weltverbandes IFPI, der rund 1300 Mitglieder in 70 Ländern vertritt.

Noch eindrucksvoller ist das Wachstum seit 2016, als sich der Schweizer Musikmarkt nach langem Niedergang wieder zu erholen begann: In diesen fünf Jahren legten die Umsätze um nahezu 50 Prozent gegenüber 2015 zu.

Allerdings entwickeln sich die Umsätze sehr ungleich. Unangefochtener Umsatztreiber ist das Audio- und Video-Streaming. Dieser Bereich wuchs um fast ein Fünftel und machte im letzten Jahr 82 Prozent des Gesamtmarktes aus. Verstärkt wurde dieses Wachstum, weil erstmals die Umsätze aus Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Instagram in die Statistik eingeflossen sind.

Lo & Leduc über Einnahmen und Ausnahmejahre

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Lo & Leduc – Lorenz Häberli und Luc Oggier mit bürgerlichen Namen – landeten 2018 mit «079» einen der erfolgreichsten Schweizer Mundart-Hits aller Zeiten. Hat sie das zu Millionären gemacht? Das Musiker-Duo im Gespräch über Geld und Geschäft.

SRF: Streams, Konzerte oder andere Verkäufe: Was ist für euch finanziell am lukrativsten?

Luc Oggier: Das hat sich stark verschoben Richtung Live-Musik. Konzerte sind mit Abstand die grösste Einnahmequelle.

Lorenz Häberli: Besonders die Festivals. Für uns als zehnköpfige Band ist beispielsweise ein Club-Konzert wenig und auch erst ab einer gewissen Grösse rentabel. Bei Festivals wird meistens mit fixen Gagen gearbeitet.

Fakt ist aber, dass die meisten Leute nur noch über Streamingdienste, wie bspw. Spotify, Musik hören. Jetzt könnte man doch meinen, dass dies die grösste Einnahmequelle ist?

Lorenz Häberli: Wir – und das ist eine Ausnahme in der Schweiz – verdienen auch Geld mit Streaming und Suisa (Gelder, die durch das Abspielen von Liedern im Radio generiert werden, Anmerkung der Redaktion).

Das ersetzt aber die wegbrechenden physischen Verkäufe nur sehr bedingt. Deswegen erfolgt auch die Verschiebung hin zum Live-Geschäft.

Ist es nicht unfair, wenn man beispielsweise nur Schweizer Rap hören will und mit seinem Spotify-Abo gleichzeitig sehr berühmte Künstler mitfinanziert?

Luc Oggier: Für diese Problematik ist bei den Schweizer Musikbegeisterten ein Bewusstsein vorhanden. Ansonsten sage ich es gerne nochmals: Wenn man jemanden direkt unterstützen möchte, dann kauft man lieber ein paar Konzerttickets.

«079» ist ein Song von euch, der eingeschenkt hat. Wurdet ihr dank «079» zu Millionären?

Luc Oggier: Man staunt immer wieder, wenn man das hört. Das gründet einfach auf einer Vorstellung der 1990er-Jahre. Wenn das vor 20 Jahren gewesen wäre, dann wäre das wahrscheinlich möglich gewesen. Aber jetzt definitiv nicht mehr.

Ihr seid also keine Millionäre. Aber ihr habt beide während der Corona-Zeit eure Jobs aufgegeben und konzentriert euch nun voll auf die Musik. Also so schlecht läufts nicht?

Lorenz Häberli: Nur ich habe den Job aufgegeben.

Luc Oggier: Ich sage auch nicht, dass es schlecht läuft. Wir sind in einer sehr privilegierten Position und können seit 2014 von der Musik leben. Das ist im Mundart-Markt alles andere als selbstverständlich und ein grosses Glück.

Lorenz Häberli: «079» bringt uns zwar keine CD-Verkäufe, aber der Song gibt mit Streams noch etwas her. Was uns «079» aber sicher gegeben hat, ist Reichweite. Dadurch bekamen wir mehr Anfragen, als das sonst der Fall gewesen wäre.

Durch diese Entwicklung hatten wir 2018 und 2019 sehr erfolgreiche Jahre, die uns in den letzten zwei Jahren ein Polster verschafft haben. Deswegen kamen wir einigermassen gut durch die Pandemie. Viele weitere solche Jahre können aber auch wir uns nicht leisten.

Die Schweiz und Spotify

Dem einheimischen Musikschaffen hilft der Boom nur wenig. Schweizer Musik ist bei Spotify kaum sichtbar. Diese Woche stammen nur gut 10 Prozent aller Titel in der beliebten «New Music Friday»-Playlist aus der Feder von Schweizer Kunstschaffenden.

Zum Vergleich: In Dänemark, Finnland und Norwegen liegt der Anteil an heimischer Musik in dieser Playlist bei über 30 Prozent.

Kritik an der Kuratierung

Der Schweizer Markt erfahre «eine stiefmütterliche Behandlung», weil «kaum Ressourcen für die Kuratierung hiesiger Angebote bereitgestellt» würden, kritisiert IFPI-Geschäftsführer Lorenz Haas den Streaming-Marktführer.

Auf lange Sicht verhindere dies eine Weiterentwicklung des Schweizer Musikschaffens, sagt Haas. «Wir fordern deshalb, dass Spotify die Schweizer Musikschaffenden auf der Plattform besser sichtbar macht und das Angebot integriert.»

Digital statt analog

Bei den CD-Verkäufen und Musik-Downloads sieht es hingegen nicht besonders rosig aus. Zwar wurden erneut mehr Vinyl-Langspielplatten verkauft (plus 18 Prozent), womit dieses Segment den höchsten Umsatz seit 1991 verzeichnete.

Doch Vinyl macht gerade einmal 2.5 Prozent des Gesamtmarktes aus. Die Gesamt-Umsätze mit physischen Tonträgern (CDs sowie Vinyl-Langspielplatten) sind um 10 Prozent zurückgegangen. Am Gesamtmarkt halten sie immerhin noch 12 Prozent.

Die Weichen im Musikmarkt scheinen endgültig gestellt: weg von physischen Tonträgern und Musik-Besitz, hin zu Streaming und On-Demand-Angeboten.

SRF 1, Eco-Talk, 21.02.2022, 22:25 ; 

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