Zum Inhalt springen

Header

Zur Übersicht von Play SRF Audio-Übersicht

Streaming als zeitlose Jukebox Darum entdeckt die Gen Z gerade Reinhard Mey und Falco für sich

Eine Rap-Doku katapultiert Liedermacher Reinhard Mey zurück in die Charts. Das Comeback eines Klassikers ist kein Einzelfall.

Mit der Musik von Rapper Haftbefehl und Liedermacher Reinhard Mey prallen eigentlich zwei Welten aufeinander. Doch in der aktuellen Netflix-Dokumentation zeigt sich: Musik kann Grenzen auflösen – und selbst die härtesten Typen verletzlich machen.

Ein spannender Nebeneffekt: Plötzlich ist Reinhard Mey wieder in den Charts – und das nicht dank treuer Fans, sondern durch junge Menschen, die ihn neu entdecken. Und er ist nicht der Einzige, dem ein Comeback widerfährt.

Haftbefehl sucht Halt bei Reinhard Mey  

Den Ruf, zart besaitet zu sein, geniesst der deutsche Rapper Haftbefehl nicht: Bekannt ist er für seine rauen Texte und sein Leben am Rande der Gesellschaft. Doch im Dokfilm «Babo – Die Haftbefehl-Story» zeigt sich auch eine andere Seite. Der Rapper – schwer suchtkrank – bricht vor laufender Kamera zusammen. Auf seinem Handy sucht er nach «In meinem Garten» von Reinhard Mey, ein Lied von 1970, in das er mit brüchiger Stimme einstimmt.

Für den Musikwissenschaftler und Comedian Markus Henrik, alias Dr. Pop, ist dies eine Schlüsselszene im Film: «Dass Haftbefehl, ein Gangster-Rapper, sich diesen Song aneignet, macht das Ganze sehr spannend. Diese 70er-Jahre-Sensibilität wird plötzlich in einem anderen Kontext gelesen. Manche Fans fragen sich: Warum gibt dieser Song meinem Idol so viel Kraft? Vielleicht kann er mir auch so viel Kraft geben.»

Songs aus den 70ern und 80ern als virale Hits

Fast über Nacht erobert «In meinem Garten» die Streaming-Charts. Nicht, weil das Lied brandneu ist, sondern weil die Geschichte dahinter viele Menschen berührt. Das ist kein Einzelphänomen: Ende Oktober führte der verstorbene Sänger Falco die österreichischen Charts an – mit einer Neuauflage des Albums «Falco 3», anlässlich des 40. Jubiläums der Veröffentlichung.

Auch Kate Bushs «Running Up That Hill» von 1985 erlangte dank der Serie «Stranger Things» grosse Popularität. Dr. Pop erklärt das Phänomen: «Im Streaming-Zeitalter sind Alben nicht mehr ganz so wichtig. Streaming und Social Media fungieren als zeitlose Jukebox. Der Algorithmus spielt alte und neue Songs nebeneinander aus – und was zählt, ist der emotionale Bezug, den man zu einem Song aufbaut.»

In den sozialen Medien wird der Song gehypt: gerade auf Tiktok, wo vor allem Jugendliche und junge Erwachsene unterwegs sind: Dort wird er zum Soundtrack persönlicher Momente in selbstgedrehten Videos. Für den ehemaligen Leiter der Popakademie Mannheim, Udo Dahmen, eine positive Seite neuer Musikrezeption: «Ganz offensichtlich ist es so, dass viele sich nach höherer Beständigkeit sehnen, auch in ihrem Privatleben und einfach da auch Dinge suchen, die tiefer gehen in Literatur, in Musik, in Film.» 

Generation Tiktok auf der Suche nach Tiefgründigem

Mehr Tiefgang – eine Sehnsucht, die die Generation Tiktok mit Haftbefehl teilt. «In meinem Garten» erzählt vom Rittersporn, der sich inmitten von Geröll durchsetzt. Das verbindende Element von Meys Lied und der Hip-Hop-Kultur sieht Dahmen an der bildreichen Sprache, die oftmals Momentaufnahmen einfängt, um Emotionen zu vermitteln: «Oftmals ist das nur eine kleine Atmosphäre, die gross gemacht wird. Und das schafft Reinhard Mey auf eine ganz andere Weise, aber auch extrem minimalistisch.»

Reinhard Mey und Haftbefehl: zwei Welten, zwei Generationen, plötzlich verbunden: durch Musik. Als Halt, Gemeinschaft und Motor, in schwierigen Zeiten, um weiterzumachen.

Radio SRF Virus, 31.10.2025, 16:15 Uhr

Meistgelesene Artikel