63 Prozent Zustimmung sieben Wochen vor der Abstimmung, das überrascht nicht. Die Konzernverantwortungs-Initiative wurde überparteilich lanciert. Prominente Alt-Politiker aus FDP, CVP, SP und Grünen, christliche Hilfswerke und linke Menschenrechtsorganisationen engagieren sich Seite an Seite. Die Initiative kommt damit mitten aus der Zivilgesellschaft und ist parteipolitisch getragen von links bis weit in die bürgerliche Mitte hinein.
Kraftvolle Kampagne
Die Initianten führen seit Jahren eine sehr professionelle Kampagne. Das Fehlverhalten Schweizer Konzerne im Ausland – Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung – ist in den Medien seit Jahren präsent. Die orangen Unterstützungsfahnen hängen an 70'000 privaten Balkonen, Gewerbebetrieben und Bauernhöfen.
Doch reichen 63 Prozent Zustimmung zum sicheren Sieg am 29. November? Aus drei Gründen ist dieses Rennen noch nicht entschieden:
1. Die Trümpfe der Gegner
Laut Umfrage zieht im Moment das Hauptargument der Initiantinnen und Initianten am besten: Freiwillige Massnahmen genügten nicht, unverantwortliches Handeln müsse Konsequenzen haben.
Die Argumente der Gegnerschaft haben dagegen noch wenig verfangen: dass die strengeren Regeln der Schweizer Wirtschaft schadeten, auch den KMU; dass in Zeiten der Coronakrise zusätzliche Risiken zu vermeiden seien; oder dass sich Schweizer Unternehmen aus Entwicklungsländern zurückziehen könnten.
Die Gegnerinnen und Gegner haben also noch nicht ausgeschöpftes Potenzial. Entscheidend wird sein, ob es ihnen in den nächsten Wochen gelingt, die Diskussion auf diese Punkte zu lenken. Oder ob die Initianten den Fokus auf den Verfehlungen Schweizer Konzerne im Ausland halten können.
2. Die Mobilisierung
Typisch für eine Initiative zu diesem Zeitpunkt ist auch, dass vor allem die Befürworter sicher an der Abstimmung teilnehmen wollen. Die Stimmabsicht bei den Anhängern der SP und Grünen liegt bei 63 % bzw. 67 %, gegenüber 43 % bzw. 48 % bei FDP und SVP.
Entscheidend wird also sein, ob FDP und SVP ihre Wählerinnen und Wähler in den verbleibenden Wochen gegen diese Initiative mobilisieren können. Das Mobilisierungspotenzial bei den Befürwortern scheint dagegen schon jetzt praktisch ausgeschöpft.
3. Die Krisenstimmung
Zum Zeitpunkt der Umfrage war die zweite Covid-19-Welle in der Schweiz noch kaum ein Thema. Das hat sich in der Zwischenzeit geändert und könnte sich bis Ende November noch deutlich zuspitzen.
Sollte die Schweiz bis zum Abstimmungssonntag die Massnahmen gegen die zweite Welle deutlich zu spüren bekommen, könnte das Krisenargument, dass jetzt der Wirtschaft keine zusätzlichen Risiken aufgebürdet werden sollten, deutlich stärker ziehen.
Fazit
Trotz der hohen Umfragewerte ist das Rennen noch nicht gelaufen. Anders übrigens bei der Kriegsgeschäfte-Initiative. Diese hat mit 54 Prozent wohl ein zu knappes Polster, als dass für sie mehr als ein Achtungserfolg drin läge.