- Das Schlussresultat liegt vor: Die Schweiz hat die Änderung des Transplantationsgesetzes mit 60.2 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen.
- Bundesrat und Parlament wollen mit der sogenannten erweiterten Widerspruchslösung die Organspende neu regeln.
- Künftig gilt, dass eine verstorbene Person ohne anders lautende Willensbekundung grundsätzlich mit einer Organspende einverstanden ist.
Alle Schlussresultate liegen vor. Und es zeigt sich: Nur die beiden Appenzell sowie Schaffhausen und Schwyz haben die Vorlage abgelehnt. 39.7 Prozent der Stimmberechtigten gingen an die Urnen.
Dass es in der Deutschschweiz überraschend viele Nein-Stimmen gegeben hat, erklärt Lukas Golder, Politologe beim Forschungsinstitut GFS Bern wie folgt: «In den Regionen, wo die SVP vehement aufgetreten ist, konnte sie eine ethische Debatte forcieren. Nicht nur Leute aus dem SVP-Milieu sind zum Nein gekommen.»
Ich freue mich sehr, dass das geänderte Transplantationsgesetz den Menschen auf der Warteliste die Chance auf die Zuteilung eines Organs erhöhen wird.
Freude an der klaren Ja-Mehrheit hat Franz Immer, seit 14 Jahren Direktor von Swisstransplant. «Ich freue mich wirklich sehr, dass das Volk diesem Vorschlag von Bund und Parlament gefolgt zu sein scheint und dass es den Menschen auf der Warteliste die Chance auf die Zuteilung eines Organs doch erhöhen wird.»
Das Ja wertet auch Michelle Hug als positives Signal. «Ich bin froh, dass das Volk zum Ja tendiert und die Notwendigkeit sieht», sagt die Herztransplantierte. «Ich hatte einen angeborenen Herzfehler und die Wartezeit auf das Herz war sehr anstrengend.»
Alex Frei, Arzt und Co-Präsident des Referendumskomitees, zeigt sich gefasst – zumal sich das Ja bereits angekündigt habe. Zur Erinnerung: Gemäss der 2. SRG-Umfrage des Forschungsinstituts GFS Bern hätten sich vor drei Wochen gut drei Fünftel der befragten Stimmberechtigten für die Widerspruchslösung ausgesprochen. Frei sagt deshalb: «Wenn man nicht hoch verliert, ist das schon mal ein riesiger Erfolg.» Gerade in der Westschweiz sei die Mobilisierung schwierig gewesen. «Viele Leute wollten sich nicht öffentlich zeigen.»
Für ein Nein eingesetzt hat sich SVP-Nationalrätin Verena Herzog. Sie sagt, der Abstimmungskampf sei sehr emotional geführt worden. «Viele Leute dachten, es gehe um ein Nein oder Ja zur Organspende. Dabei ging es um eine ethische Debatte über die erweiterte Widerspruchslösung.»
Angehörige können Organspende ablehnen
Hierzulande ist eine Transplantation bislang nur dann möglich, wenn der oder die Verstorbene der Spende zu Lebzeiten zugestimmt hat. Deshalb haben Bundesrat und Parlament einen Strategiewechsel vorgeschlagen: weg von der Zustimmungs- hin zur Widerspruchslösung.
Allerdings können Angehörige eine Transplantation ablehnen. Sind diese oder Personen, welche mit der verstorbenen Person eng verbunden sind, nicht erreichbar, dürfen keine Organe entnommen werden.
Neue Regelung löst ethische Bedenken aus
Befürworterinnen und Befürworter der Vorlage argumentieren, mit dem geänderten Transplantationsgesetz sei in Zukunft klarer, wer spenden möchte und wer nicht. Auch könne die neue Regelung Angehörige entlasten, weil sie im Todesfall nicht stellvertretend für den Verstorbenen entscheiden müssen.
Die Gegnerschaft stellt sich jedoch auf den Standpunkt: Die Widerspruchslösung verletze das in der Verfassung garantierte Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit. Und es sei unethisch, ohne explizites Ja Organe zu entnehmen, wo es doch sonst zu jedem medizinischen Eingriff eine Einwilligung brauche.