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«Arena» zum Covid-19-Gesetz Wird das Coronavirus wirklich milder? Der Faktencheck zur «Arena»

13. Juni 2021, 28. November 2021. Und nun nochmals am 18. Juni 2023. In einem Monat wird das Schweizer Stimmvolk ein drittes Mal über das Covid-19-Gesetz abstimmen. So will es der demokratische Prozess, denn dreimal hat das Referendumskomitee die dafür nötigen Unterschriften gesammelt; zuletzt waren es fast 60'000.

Diese Woche haben die beiden Co-Präsidenten des Komitees – Nicolas Rimoldi vom Verein «Mass-Voll» und Roland Bühlmann von den «Freunden der Verfassung» – in der «Abstimmungsarena» über das Gesetz diskutiert. Das Gesetz unterstützt haben der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch und Tina Deplazes, Vizepräsidentin der «Jungen Mitte».

Covid-19-Gesetz: Worum geht es bei der Abstimmung?

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«Das Coronavirus bleibt unberechenbar», schreibt der Bund auf seiner Website. Es sei nicht ausgeschlossen, dass wieder gefährliche Virusvarianten entstehen. Das Parlament hat deshalb die rechtliche Grundlage für bestimmte Massnahmen im Covid-19-Gesetz bis Mitte 2024 verlängert. So können die Behörden im Notfall rasch handeln, um besonders gefährdete Personen und das Gesundheitssystem zu schützen.

  • Es können etwa weiterhin Medikamente gegen schwere Covid-Erkrankungen importiert und verwendet werden, auch wenn sie in der Schweiz noch nicht zugelassen sind.
  • Der Bund kann weiterhin ein Covid-Zertifikat ausstellen, insbesondere, falls dies für Auslandsreisen wieder nötig wäre.
  • Er kann zudem die Arbeitgeber verpflichten, besonders gefährdete Personen zu schützen und beispielsweise von zu Hause aus arbeiten zu lassen.
  • Auch die aktuell deaktivierte Swiss-Covid-App kann bei Bedarf reaktiviert werden.

Gegen die Verlängerung wurde das Referendum ergriffen. Würde die Verlängerung abgelehnt, würden diese Bestimmungen Mitte Dezember 2023 ausser Kraft treten.

Zusammen mit der Wissenschaftsredaktion hat der SRF-Faktencheck einige Aussagen genauer unter die Lupe genommen. Was stimmt, was nicht? SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.

Katrin Zöfel

Wissenschaftsjournalistin

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Katrin Zöfel ist Wissenschaftsredaktorin bei SRF. Sie ist Biologin und versucht zu verstehen, wie die Wissenschaft helfen kann, Antworten auf gesellschaftlich wichtige Fragen zu finden.

1. Das Zertifikat ist kein Nachweis dafür, dass man vor Ansteckung geschützt ist und andere nicht ansteckt.

Das stimmt. Das Zertifikat wies während seiner Nutzung von Juni 2021 bis Februar 2022 lediglich nach, dass man geimpft, genesen oder getestet worden ist. Zu Beginn der Impfkampagnen 2021 zeigten Studien, dass eine Impfung die Zahl an Infektionen deutlich senken konnte. Dies galt zumindest bei einer frischen Immunisierung.

Studien zu Impfungen

Schon Mitte 2021 schwächten neu auftretende Virus-Varianten diesen Effekt aber stark ab. Zum jetzigen Zeitpunkt hat auch eine vollständige Impfung – mit mehreren Dosen – kaum noch einen schützenden Effekt vor Ansteckung. Einer der Gründe ist, dass die aktuell zirkulierenden Varianten und die Impfung nicht mehr gut zueinander passen. Ein guter Schutz vor schweren Krankheitsverläufen bleibt bei vollständig geimpften Personen aber bestehen.

2. Zurzeit verlangen manche Länder noch ein Zertifikat für die Einreise.

Das stimmt nicht. Das IATA-Travel-Center weist zurzeit keinen Staat aus, der ein Covid-Zertifikat für die Einreise verlangt. Eine Reihe von Staaten verlangen zurzeit aber einen Impfnachweis und/oder einen gültigen negativen PCR-Test; zum Beispiel Brasilien, die Philippinen, Indonesien, Libyen, Tschad, Zimbabwe oder Angola. Bei der Einreise kann man für den Nachweis der Impfung und/oder eines negativen PCR-Tests das Schweizer Zertifikat nutzen, muss aber nicht. Das kann sich ändern, wenn eine neue gefährliche Variante des Virus auftauchen sollte und Staaten das Zertifikat erneut als Massnahme einführen.

3. Das Coronavirus wird immer milder.

Das kann man so noch nicht sagen. Die verbreitete Annahme, dass Viren im Lauf ihrer Entwicklung immer milder werden, ist wissenschaftlich umstritten. Längerfristige Einschätzungen zum Coronavirus SARS-CoV2 sind zudem allein deshalb schwierig, weil es für den Menschen immer noch ein relativ neues Virus ist. Es gehört zu einer Gruppe von Viren, mit der Forscherinnen und Epidemiologen bisher kaum Erfahrung sammeln konnten, deshalb sind Prognosen schwierig.

Die «Abstimmungsarena» zum Covid-Gesetz

Neue Abschätzungen gehen davon aus, dass evolutionäre Sprünge durchaus noch möglich sind. Sprünge, bei denen Varianten entstehen, welche die bestehende Immunität noch einmal stark umgehen. In der Schweiz und vielen anderen Ländern sind die negativen gesundheitlichen Auswirkungen auch starker Infektionswellen zwar seit mehr als einem Jahr sehr viel schwächer als davor. Das ist aber zu einem guten Teil auf die inzwischen sehr hohe Immunität zurückzuführen.

4. Die Corona-Impfung schützt gut vor schweren Verläufen und Todesfällen.

Das stimmt. Der Effekt der Impfung auf die Häufigkeit schwerer Verläufe und Todesfälle nach einer Infektion ist gut nachgewiesen. Die Häufigkeit schwerer Verläufe nach Infektion bei Geimpften wurde in zahlreichen Studien untersucht. All diese Studien zeigen die hohe Schutzwirkung gegen schwere Verläufe.

Impfung schützt vor schweren Verläufen und Todesfällen

Eine weltweite Abschätzung spricht von 14.4 bis 19.8 Millionen verhinderten Todesfällen für das erste Jahr, in dem Impfungen verfügbar waren. Deutlich wurde in dieser Studie auch, dass die weltweit ungleiche Verfügbarkeit der Impfstoffe einen Einfluss auf die Zahl der Todesfälle hatte. Reiche Länder konnten mehr Todesfälle durch Impfung verhindern.

5. Die WHO und der Bund haben die Pandemie für beendet erklärt.

Das stimmt nicht. Das Notfall-Komitee Covid-19 der Weltgesundheitsorganisation WHO hat am 5. Mai 2023 nicht die Pandemie für beendet erklärt, sondern den von ihr ausgerufenen, weltweiten Gesundheitsnotstand. Einen internationalen Gesundheitsnotstand kann die WHO ausrufen, wenn eine gesundheitliche Gefährdung «ernst, plötzlich und ausserhalb des normalen Rahmens» ist. Mit diesem Instrument hat die WHO die Möglichkeit, Mitgliedsländer stärker in die Bekämpfung der Gefahr einzubinden. Unter anderem sind Mitglieder dann rechtlich verpflichtet, der WHO relevante Informationen schnell zur Verfügung zu stellen.

Auch Alain Berset hat die Pandemie nicht für beendet erklärt. Er sagte gegenüber SRF im Februar 2022 – nach der Aufhebung praktisch aller Massnahmen – auf die Frage, ob die Pandemie vorbei sei: «Ich glaube, eine Phase geht zu Ende, das ist eine gute Sache. Aber eine Pandemie ist nur zu Ende, wenn sie überall zu Ende ist. Und das ist bei Weitem nicht der Fall in Europa und auch sonst in der Welt. Aber bei uns, glaube ich, ist die Situation eine gute.»

Abstimmungsarena, 19.05.2023, 22:25 Uhr ; 

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