Man könnte meinen, die Welt steht Kopf: Bundesrat und Parlament wollen international tätige Unternehmen höher besteuern und auf Anfang 2024 die OECD-Mindeststeuer von 15 Prozent einführen. Bürgerliche Politiker, welche höhere Steuern für gewöhnlich kritisch sehen, finden sich auf der Pro-Seite wieder.
Kritik kommt dafür ausgerechnet aus linken Kreisen: Die SP, der Schweizerische Gewerkschaftsbund und die NGO-Allianz Alliance Sud lehnen die Vorlage für die OECD-Mindeststeuer ab, wo sie doch normalerweise mit Vehemenz für höhere Unternehmenssteuern kämpfen.
Zu reden gab am Freitagabend in der «Arena» vor allem die Frage, wie die Mehreinnahmen verteilt werden sollen. Vorgesehen ist nämlich, dass ein Viertel hiervon an den Bund geht. Drei Viertel der zusätzlichen Steuereinnahmen sollen bei den Kantonen bleiben, wobei diejenigen mit tiefen Steuern und grossen Unternehmen am meisten profitieren würden. Aber auch alle anderen Kantone sollen über den Finanzausgleich Geld erhalten.
Wegen des Verteilschlüssels lehnt SP-Vizepräsidentin Jacqueline Badran die OECD-Mindeststeuer ab. «Ich habe immer dafür gekämpft, dass die Bevölkerung nicht die Steuersubventionen für die Unternehmen bezahlen muss. Die Mindeststeuer ist deshalb ein Gewinn.» Nun müsse aber sichergestellt werden, dass die Mehreinnahmen in Milliardenhöhe gerecht verteilt werden.
Die Mehreinnahmen müssen allen zugutekommen.
Laut einer Studie, die die SP in Auftrag gegeben hat, würden beim vorliegenden Verteilschlüssel vor allem einige wenige Kantone wie Zug oder Basel-Stadt profitieren. «In diesen Kantonen befinden sich die meisten der international tätigen Konzerne. Eine Person im reichen Kanton Zug würde also viel mehr erhalten als etwa eine Person in Glarus, Thurgau oder St. Gallen», so Badran. Sie forderte deshalb eine Neuauflage der OECD-Mindeststeuer.
«Ich würde den Reset-Knopf nicht drücken. Das ist schon einmal nicht gut herausgekommen», sagte Finanzministerin Karin Keller-Sutter in Anspielung auf Bundesratskollege Ignazio Cassis und seinen Kurs beim EU-Rahmenabkommen.
«Damit wir überhaupt Mehreinnahmen haben und über deren Verteilung reden können, muss die Mindeststeuer überhaupt erst eingeführt werden», hielt Bundesrätin Keller-Sutter fest. «Wenn wir Nein sagen, dann können andere Länder, welche die Mindestbesteuerung einführen, das Geld aus der Schweiz abschöpfen.» Von den Mehreinnahmen würden bei Annahme der Vorlage überdies alle profitieren. Auch die ärmeren Kantone erhielten über den Finanzausgleich mehr Geld, so Bundesrätin Karin Keller-Sutter.
Die Gelder könnten ins Ausland abfliessen, wenn die Schweiz die OECD-Mindeststeuer nicht umsetzt.
«Die OECD-Mindeststeuer ist schlicht ungerecht», konterte Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. «Trotz zusätzlicher Steuereinnahmen erhalten Normalverdienende nicht mehr Geld. Dies bei explodierenden Krankenkassenprämien, teureren ÖV-Tickets und steigenden Mieten.» Das sei unverständlich. Für die Ausarbeitung einer neuen Vorlage bleibe genug Zeit.
GLP-Präsident Jürg Grossen warnte indessen vor dem Druck der Nachbarstaaten: «Wenn die Schweiz jetzt nicht mitzieht bei der OECD-Mindeststeuer, besteht das Risiko, dass die Gelder ins Ausland abfliessen.» Die Vorlage sei wichtig, zumal sie Rechtssicherheit und Planungssicherheit für die grossen Unternehmen schaffe.
Die Vorlage stösst laut aktuellen Umfragen derzeit auf breite Zustimmung. Gegen 80 Prozent der Befragten stimmen der OECD-Mindeststeuer zu. Am 18. Juni entscheidet die Stimmbevölkerung an der Urne darüber.