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Abstimmungs-«Arena» AHV-Reform: Co-Präsidentin der SP tadelt SP-Bundesrat

In der Abstimmungssendung über das höhere Rentenalter für Frauen werfen die Gegnerinnen dem Bundesrat vor, der nächste Schritt sei schon programmiert. Die Pro-Seite mit Innenminister Alain Berset widerspricht vehement. Umstritten ist auch, wie schlecht es um die AHV steht.

«Es ist völlig klar, dass ein Ja zur AHV 21 eine Signalwirkung für die Bürgerlichen hat, als zweiten Schritt eine weitere Rentenaltererhöhung für alle zu fordern.» Das sagte SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer in der «Arena». Auch der Bundesrat habe in seiner Botschaft verkündet, eine Erhöhung des Rentenalters über 65 Jahre für Männer und Frauen sei eine berechtigte Massnahme als Beitrag für die Finanzierung der AHV.

Die Gäste in der «Arena»

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Als Befürworter der Vorlage:

  • Alain Berset , Bundesrat und Vorsteher Eidgenössisches Departement des Innern (EDI).

Gegen die Vorlage treten an:

  • Mattea Meyer , Co-Präsidentin SP
  • Daniel Lampart , Chefökonom Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB)
  • Natalie Imboden , Nationalrätin Grüne/BE
  • Hanny Weissmüller , Präsidentin Lokomotivpersonal-Gewerkschaft SEV

Weitere Befürworterinnen und Befürworter der Vorlage sind:

  • Regine Sauter , Nationalrätin FDP/ZH
  • Diana Gutjahr , Nationalrätin SVP/TG
  • Ruth Humbel , Nationalrätin Mitte/AG

SP-Bundesrat Alain Berset entgegnete seiner Parteikollegin, es gebe zwar eine Volksinitiative der Jungfreisinnigen, die ein höheres Rentenalter verlange. Der Bundesrat habe aber in seiner Botschaft die Initiative abgelehnt. In der Abstimmung vom 25. September gehe es nicht um eine allgemeine Erhöhung des Rentenalters, stellte Berset klar.

Wie dringend ist die Reform?

Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) geht davon aus, dass die AHV in den nächsten zehn Jahren einen Finanzierungsbedarf von rund 18.5 Milliarden Franken hat. Die AHV-Reform sieht deshalb eine Angleichung des Rentenalters der Frauen an dasjenige der Männer vor. Zudem soll eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.4 Prozentpunkte Mehreinnahmen für die erste Säule bringen.

Engagiert diskutiert wurde in der «Arena» die Frage, wie es um die finanzielle Lage der AHV steht.

Wir haben genug Zeit, um eine bessere Vorlage zu präsentieren, die nicht auf dem Buckel der Frauen und Ehepaaren spart.
Autor: Mattea Meyer SP-Co-Präsidentin

Die Reform sei notwendig, sagte Bundesrat Berset: «Wir wissen genau, was auf uns zukommt: Eine sehr zahlreiche Generation, die ein Leben lang gearbeitet und die AHV mitfinanziert hat, wird in weniger als zehn Jahren pensioniert.» Der «wichtigste Pfeiler der Altersvorsorge» müsse jetzt finanziell stabilisiert werden. Die AHV-Reform trage der demografischen Entwicklung der Gesellschaft Rechnung.

Das sei Schwarzmalerei, widersprach SP-Co-Präsidentin Meyer. Das Vermögen der AHV mit 50 Milliarden Franken sei noch nie so hoch gewesen wie heute. «Wir haben also genug Zeit, um eine bessere Vorlage zu präsentieren, die nicht auf dem Buckel der Frauen und Ehepaare spart, sondern die Renten für alle gleichermassen sichert.»

Die Erhöhung des Frauenrentenalters bringe der AHV bis ins Jahr 2032 sieben Milliarden Franken. «Das macht ein Preisschild von 26'000 Franken pro Frau», so Meyer. Sie spricht deshalb von einer «Abbauvorlage».

Es gibt keinen Grund, wieso Frauen weniger lang arbeiten sollten als Männer.
Autor: Regine Sauter Nationalrätin FDP/ZH

«Niemandem wird mit dieser Reform die monatliche Rente gekürzt», entgegnete FDP-Nationalrätin Regine Sauter. Vielmehr würde eine Flexibilisierung eingeführt. So sei es neu etwa möglich, nur einen Teil seiner Rente zu beziehen. Schliesslich stellte Sauter klar: «Es gibt keinen Grund, wieso Frauen weniger lang arbeiten sollten als Männer. Die Vorlage sieht für die Frauenjahrgänge, die in den kommenden neun Jahren in Pension gehen, sehr faire Ausgleichsmassnahmen vor.»

Ein Akt für die Gleichberechtigung?

Gleichstellung entscheide sich nicht an der Zahl 65, konterte Natalie Imboden, Nationalrätin der Grünen. Es gebe eine grosse Altersarmut, die vor allem weiblich sei. «Eine Frau erhält im Alter durchschnittlich 2764 Franken pro Monat, alle Säulen zusammengerechnet.» Jede zehnte Frau benötige Ergänzungsleistungen, wenn sie in Rente gehe. Das zeige, dass die AHV nicht existenzsichernd sei.

Die Reform verschlechtere die Situation der Frauen, zumal von den Ausgleichsmassnahmen nur ein kleiner Teil der Frauen profitiere. «Der beste Weg wäre die Lohngleichheit, dann hätten wir mehr Lohnsumme in der AHV und müssten nicht das Frauenrentenalter erhöhen», sagt Imboden.

Auf das Stichwort «Lohngleichheit» reagierte SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr. Als Arbeitgeberin sehe sie das Problem auch bei den Frauen selbst: «Sie fordern nicht den Lohn, den sie sich eigentlich erarbeitet haben.» Branchenspezifische Probleme in puncto Lohn müssten in Gesamtarbeitsverträgen gelöst werden. Statt immer nur Gleichberechtigung zu fordern, solle diese auch gelebt werden. «Das könnte man hier, indem man dem einheitlichen Rentenalter 65 zustimmt», sagt Gutjahr.

Das letzte Wort darüber, ob das Rentenalter der Frau erhöht werden soll, hat die Stimmbevölkerung am 25. September. Laut der zweiten SRG-Umfrage spricht sich derzeit eine Mehrheit für die AHV-Reform aus. Allerdings hat die Zustimmung im Vergleich zur ersten Umfrage signifikant abgenommen.

Arena, 16.09.2022, 22:25 Uhr

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