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Baukartell-Whistleblower Verantwortliche verschleppten Untersuchung zu Polizeigewalt

Der Fall: Wie das Online-Magazin «Republik» ausführlich und früher die «Südostschweiz» publik machte, wurde der Bauunternehmer Adam Quadroni im Juni 2017 gewaltsam festgenommen. Grund war die Meldung, er könne sich und andere gefährden. Quadroni, Whistleblower im Fall des Baukartells , wurde laut einem öffentlichen Dokument der Psychiatrischen Dienste Graubünden «gefesselt und mit verbundenen Augen auf die Notfallstation gebracht». Es ist umstritten, ob dieser Polizeieinsatz verhältnismässig war. Laut der Kantonspolizei besteht kein Zusammenhang zwischen der Festnahme und dem Baukartell.

Was seither geschah: Regierungsrat Christian Rathgeb sagte gestern Dienstag am grossen Wahlpodium des romanischen Radio und Fernsehens, es sei wegen des Polizeieinsatzes eine administrative Untersuchung durchgeführt worden. Das heisst, die Vorwürfe wurden verwaltungsintern geprüft. Das Ergebnis ist nicht bekannt.

Der Patient wurde von einer Sondereinheit in Handschellen und verbundenen Augen auf die Notfallstation gebracht.
Autor: Arztbericht Psychiatrische Dienste Graubünden

Reicht das? Nein, sagt Juristin Evelyne Sturm, die gesetzlichen Richtlinien seien klar. Sturm hat kürzlich ihre Dissertation zur Frage, wie umstrittene Polizeieinsätze untersucht werden müssen, abgeschlossen. «Aus der europäischen Menschenrechtskonvention ergibt sich, dass eine Untersuchung eingeleitet werden muss, von Amtes wegen» – und zwar unmittelbar nach dem Einsatz. Die Untersuchung müsse unabhängig sein und die betroffene Person die Möglichkeit haben, ihre Sichtweise einzubringen.

Die Kritik: Das sei bei einem internen administrativen Verfahren nicht der Fall, bemängelt Sturm, da sich die betroffene Person nicht beteiligen könne. Problematisch sei auch, dass sich ein solches Verfahren nur auf Dokumente abstütze, die von der Polizei geliefert werden – also nicht unabhängig sei. Üblich sei deshalb ein Strafverfahren, sagt Sturm, die auch Geschäftsführerin des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte ist. Ein solches Verfahren wurde bis heute nicht eröffnet, heisst es auf Anfrage bei der Bündner Staatsanwaltschaft.

Die Untersuchung muss unmittelbar nach einem Einsatz erfolgen und unabhängig sein.
Autor: Evelyne Sturm Schweizerisches Kompetenzzentrum für Menschenreche

Wer muss handeln? In der Pflicht, ein unabhängiges Verfahren einzuleiten, stünden die Chefs, sagt Sturm. In diesem Fall also Polizeikommandant Walter Schlegel oder Regierungsrat Christian Rathgeb, beide auch Regierungskandidaten. Beide äussern sich nicht zum konkreten Fall aufgrund der laufenden Untersuchungen.

Wie weiter? Gestern Dienstag hat die Bündner Regierung mitgeteilt, dass sie den Polizeieinsatz nun doch extern und damit unabhängig untersuchen lasse von Andreas Brunner, früher leitender Oberstaatsanwalt des Kantons Zürich – fast ein Jahr nach dem Einsatz im Juni 2017.

Die verbundenen Augen

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Besonders umstritten ist die Massnahme, dem Bauunternehmer Quadroni die Augen zu verbinden. Die Kantonspolizei Graubünden äussert sich aufgrund der Untersuchung nicht zu den Gründen. Eine Nachfrage bei der Kantonspolizei im Nachbarskanton St. Gallen zeigt, dass auch dort diese Massnahme eingesetzt wird, jedoch nur in speziellen Fällen. Sprecher Gian Andrea Rizzoli: «Die Person, die festgenommen wird, soll geschützt werden». Aussenstehende sollten nicht sehen oder sogar in einem Foto festhalten können, wer festgenommen werde. Die Maske werde danach sobald wie möglich abgenommen, beispielsweise im Auto: «Wenn das Fahrzeug getönte Scheiben hat, kann man die Maske sofort wegnehmen, sonst fährt man ein Stück weg».

SRF1, Regionaljournal Graubünden, 17:30 Uhr; habs

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