Ein Skandal erschüttert die europäische Kardiologie. Einflussreiche Ärzte sollen Millionenbeträge erhalten haben, um für das Herzmedikament Ivabradin zu werben, das in der Schweiz unter dem Handelsnamen Procoralan vertrieben wird.
Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hatte das Medikament unter fragwürdigen Umständen empfohlen. Das zeigt die Recherche dänischer Journalistinnen und Journalisten, die das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS ausgestrahlt hat.
Auszug aus der dänischen Recherche über Ivabradin
Im Zentrum der Affäre steht Professor Kim Fox, der ehemalige Präsident des ESC. Fox soll vom französischen Labor Servier, dem Hersteller von Ivabradin, knapp 84 Millionen Schweizer Franken erhalten haben.
«Das ist eine unglaubliche Summe … eines Oligarchen würdig», sagt der Kardiologe Niels Holmark Andersen gegenüber der dänischen Journalistin Rikke Dyrberg. Dieser Betrag wirft ernsthafte Fragen über die Unabhängigkeit medizinischer Empfehlungen auf.
Diverse Kardiologen sollen Geld erhalten haben
Die Untersuchung enthüllt, dass auch andere einflussreiche Kardiologen erhebliche Summen von Servier erhalten haben sollen. Roberto Ferrari, Kim Fox' Nachfolger als ESC-Präsident, bestreitet zwar den Erhalt von Beträgen in Millionenhöhe, weigert sich aber, genaue Summen offenzulegen.
Die dänische Reportage zeigt die Methoden der Pharmaindustrie auf, um Ärztinnen und Ärzte zu beeinflussen. Neben Direktzahlungen werden Kardiologen zu luxuriösen Konferenzen eingeladen oder manchmal auch von Handelsvertretern bedrängt.
Hin zu mehr Transparenz?
Als Reaktion auf diese Enthüllungen schloss der ESC Kim Fox aus der Organisation aus (siehe Box). Viele Fragen bleiben jedoch ungeklärt. Thomas Lüscher, ein Schweizer Kardiologe und zum Zeitpunkt der Dreharbeiten künftiger ESC-Präsident, räumt Interessenkonflikte ein: «Das ist sehr gefährlich für unseren Ruf. Ich sehe die Gefahr und werde sie nicht vor Ihnen verheimlichen.»
Laut der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie, die von der RTS-Sendung «Temps Présent» kontaktiert wurde, wird Ivabradin in der Schweiz nur selten verschrieben und gilt als «Nischenprodukt».