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Milliardengeschäft Medizin Strenge Regeln bei Pharmageldern – dennoch fliessen Millionen

Marketing für rezeptpflichtige Medikamente ist streng reglementiert. Geld darf keinen Einfluss darauf haben, was Ärztinnen und Ärzte verschreiben. Und dennoch bezahlen Pharmafirmen jedes Jahr Millionen an die Medizin.

Barbara ist erleichtert – im wahrsten Sinne des Wortes. Sie hat rund ein Drittel ihres Körpergewichts verloren. Möglich war dies durch die Abnehmspritze Wegovy der dänischen Firma Novo Nordisk. Aufmerksam wurde sie auf das rezeptpflichtige Medikament über ein Inserat, in dem Personen gesucht wurden für eine klinische Studie.

Ein Inserat für eine Pharmastudie in einer Zeitung – das ist bereits ein sensibler Bereich. Denn Pharmafirmen dürfen keinerlei Publikumswerbung machen für ein rezeptpflichtiges Medikament. Was also ist denn erlaubt? Was wird kontrolliert?

Barbara ist eine Frau mit Brille, die heute schlank ist
Legende: Barbara hat rund einen Drittel ihres Körpergewichts verloren. Aufmerksam wurde sie auf das Medikament durch eine Studie. SRF/Céline Raval

Nebst Gesetzen gibt es Verhaltensrichtlinien für Pharmafirmen und Ärzte. Fachleute betonen, dass die Zusammenarbeit zwischen Pharma und Medizin möglich sein muss. Es gehe um Wissenstransfer, der dem Patienten oder der Patientin zugutekomme.

Auch Philip Gerber, der Arzt von Barbara, betont die Wichtigkeit. Er ist Adipositas-Spezialist und leitender Arzt am Universitätsspital Zürich. Er hat von Novo Nordisk, der dänischen Firma hinter dem Adipositas-Medikament, sogar Honorare für Beratungen erhalten.

Das sei unproblematisch und üblich, sagt er gegenüber SRF. «Der Austausch zwischen Ärzten und Pharmafirmen ist reguliert», sagt er. «Früher war das vielleicht anders, aber heutzutage wird grosses Augenmerk darauf gerichtet.»

Unabhängigkeit als oberstes Gebot

Grosszügige Gesten und Einladungen ohne fachlichen Bezug sind hingegen nicht erlaubt. Möglich sind aber sogenannte «Unterstützungsbeiträge» in einem gewissen Rahmen. Gemeint sind damit Beiträge für Forschung, Weiter- und Fortbildungen.

SRF-Podcastserie: «Die Spritze – zwischen Hype und Hoffnung»

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Grafik einer Spritze mit einem Massband
Legende: SRF

Barbara erzählt ihre Geschichte in der neuen Serie von «News Plus Hintergründe». Im Podcast wird klar: hinter der Spritze steckt mehr als ein Hype. Nämlich die Geschichte eines Milliardengeschäfts, das mit grossen Hoffnungen verbunden ist – und das sowohl Gewinnerinnen als auch Verlierer hervorbringt.

Doch der Interpretationsspielraum ist gross und kann Misstrauen schüren. Darum setzt die Pharmaindustrie mit einem eigenen Verhaltenskodex an. Er regelt auf rund 30 Seiten die Details: beispielsweise, dass Pharmafirmen zwar Ärztinnen und Ärzte an Fachveranstaltungen einladen und die Kosten für Spesen übernehmen dürfen, solange es einen direkten inhaltlichen Zusammenhang gibt. Ehepartnerinnen und Ehepartner einzuladen, ist allerdings untersagt, ebenso üppige Ausflüge an Konzerte und Events.

Dos und Don'ts – ein paar Beispiele aus dem Kodex

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Geschenke: Pharmavertreter dürfen Ärztinnen und Ärzte nicht beschenken. Erlaubt ist Informations- und Ausbildungsmaterial (maximal 300 Franken jährlich).

Einladungen zum Essen: Es muss sich um ein Fachgespräch handeln. Es gilt eine Obergrenze von 100 Franken.

Musterpackungen: Muster sind in kleiner Stückzahl erlaubt, dürfen aber nicht zum Anreiz führen, ein Medikament zu verschreiben.

Einladung zu Weiterbildungsveranstaltungen: Möglich ist die Übernahme von Anmeldegebühren, Reisespesen, notwendigen Mahlzeiten und die Unterkunft. Diese Unterstützungsleistungen sollten angemessen sein, also nicht zu luxuriös. Die Veranstaltung sollte in der Schweiz stattfinden.

Sponsoring: Sponsoring ist gemäss dem Pharmakodex im gewissen Rahmen erlaubt. Patientenorganisationen dürfen beispielsweise Fachtagungen sponsern lassen, legen das aber ebenfalls offen. Auch Sponsoring im Bereich von klinischen Studien ist unter Auflagen erlaubt.  

In der Schweiz haben fast alle Pharmafirmen diesen Kodex unterzeichnet und versprechen damit, sich daranzuhalten. Auch die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften hat ergänzend zum Gesetz Richtlinien erarbeitet, die sich an die Medizin richten.

Trotz Transparenz Kritik

Trotz vieler freiwilliger Verhaltensweisen gibt es Kritik. Die Plattform Pharmagelder.ch, ein Rechercheprojekt von Ringier Medien Schweiz, kritisiert die intransparente Darstellung von Geldern, welche Pharmafirmen an die Medizin bezahlen.

Eine Maschine für Computertomografie und eine Angestellte, die diese bedient
Legende: Ist es das beste oder nur teuer? Patientinnen und Patienten müssen sich bei jeder Behandlung auf die Unabhängigkeit der Medizin verlassen können. Darum gibt es für Medzin und Pharma Verhaltensregeln. Keystone/CHRISTIAN BEUTLER

Zwar würden sie ausgewiesen, aber man müsse sie mühsam zusammensuchen in zahlreichen Listen und Excel-Tabellen. Darum stellt Pharmagelder.ch ein Tool zur Verfügung, das die Recherche erleichtert.

Es zeigt sich: Novo Nordisk hat 2023 insgesamt rund fünf Millionen Franken an medizinische Fachleute und Gesundheitsorganisationen bezahlt. Für die Firma ist das ein neuer Rekord.

Publikumswerbung nein, Fachwerbung ja

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In der Schweiz ist Publikumswerbung in Zeitungen, Zeitschriften oder TV für rezeptpflichtige Medikamente verboten. Dagegen ist Fachwerbung erlaubt. Beispiel dafür ist eine Broschüre. Allerdings gelten auch hier strenge Auflagen. So darf etwa das Wort «neu» nur in ganz bestimmten Fälle verwendet werden.

Spitzenreiter sind jedoch die Schweizer Firmen Novartis, Roche und der US-Konzern Pfizer mit Beträgen zwischen rund 25 und 30 Millionen Franken.

Die Daten für das Jahr 2024 werden im Herbst 2025 publiziert. Und geht es nach dem Trend, dann fliesst das Geld auch dieses Jahr locker.

SRF 4 News, 11.6.2025, 1:03 Uhr;liea

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