«Donald Trump stellt punkto medialer Aufmerksamkeit alles in den Schatten», stellt der Journalist Dave Lesher fest. Die Berichterstattung zu ihm nehme die Ressourcen vieler Medien in Beschlag und schwäche die Berichterstattung über Geschehnisse auf lokaler Ebene.
Die rasante Digitalisierung der letzten Jahre hat diese Entwicklung verstärkt. Gemäss neuen Studien sind in den letzten zwei Jahrzehnten in den USA fast 40 Prozent von ursprünglich knapp 9000 Titeln verschwunden.
Newswüsten breiten sich aus
Die Ausbreitung von «Nachrichtenwüsten» ist gemäss dem «World Justice Report» (WJP) ein globales Phänomen. Dies schwäche laut WJP die Meinungsbildung in Demokratien.
Vor zehn Jahren gründete Dave Lesher deshalb das gemeinnützige Unternehmen «Calmatters», das unter anderem das Recherche-Tool «Digital Democracy» entwickelt hat.
«Wir finanzieren uns aus Spenden und sorgen für mehr Transparenz in der Politik», sagt Lesher gegenüber Swissinfo.
«Mit ‹Digital Democracy› wollten wir eine Plattform schaffen, die eine bessere Einsicht in den Gesetzgebungsprozess ermöglicht», sagt Foaad Khosmood, Professor für Computertechnik und ebenso Mitglied von «Calmatters». «Das misslang, weil die durch uns erfassten Daten zu ungenau waren.»
Das änderte sich am 8. November 2016. An diesem Tag hiessen die Stimmberechtigten Kaliforniens eine Verfassungsänderung gut, die die Behörden dazu verpflichtet, sämtliche Anhörungen und Verhandlungen in den beiden Parlamentskammern aufzuzeichnen und innerhalb von 24 Stunden zu veröffentlichen.
«Diese Reform war ein Gamechanger», sagt Khosmood. «Die Datenbank richtet sich nun an Medienschaffende, welche sie für ihre Recherchen nutzen.»
Mehr Volksinitiativen eingereicht
Eine solche Nutzerin ist die Investigativjournalistin Julie Watts. «Das System bietet mir innerhalb von Sekunden Videos, Zitate und Hintergründe, die ich für meine Berichterstattung direkt nutzen kann. Dafür benötigte ich in der Vergangenheit sehr viel Zeit.»
Auf «Digital Democracy» sind neben den Transkripten der Wortmeldungen von über 100'000 Rednerinnen und Rednern auch sämtliche zugänglichen Finanzinformationen, Berichte aus sozialen und anderen Medien sowie Einträge zu Gesetzgebungsinformationen verknüpft.
«So kann ich zum Beispiel nachschauen, ob eine in der Umweltpolitik profilierte Politikerin Wahlkampfgelder von der Ölindustrie erhält», sagt Watts.
Diese durch «Digital Democracy» und KI unterstützte Berichterstattung zeigt Wirkung: «Mir gelang es mittels einer Analyse von über einer Million Abstimmungen im Parlament und tausender Stunden von Anhörungen aufzuzeigen, wie über zweitausend Gesetze daran gescheitert sind, dass sich Abgeordnete an entscheidenden Abstimmungen nicht beteiligten.»
Die Folge: In mehreren Fragen haben sich die Bürgerinnen und Bürger dazu entschlossen, Volksinitiativen zu lancieren.
«In der Schweiz fehlen genügend grosse Datenmengen»
Das Beispiel zeige: Für eine Rechercheplattform wie «Digital Democracy» brauche es nicht nur starke Transparenzbestimmungen und zugängliche Daten, betont der Schweizer KI-Medienexperte Reto Vogt.
Wichtig sei auch die Kenntnis politischer Nuancen oder Kausalitäten, um diese Daten auch richtig zu deuten. «In der Schweiz zum Beispiel fehlen den KI-Modellen speziell im Lokaljournalismus genügend grosse Datenmengen.»