In Norwegen können junge Menschen seit diesem Sommer gratis eine Online-Zeitung lesen. Die grösste Mediengruppe des Landes «am Media» bietet ihr Onlineangebot für unter 21-Jährige kostenlos an. Die jungen Leute sollen dazu gebracht werden, wieder mehr seriöse Medien zu konsumieren. Der Verlag hofft, dass sie später dann ein Bezahl-Abo kaufen. Was das Gratisangebot bringen könnte, sagt ETH-Experte Mark Eisenegger.
SRF News: Was halten Sie von der Idee, jungen Menschen ein Gratisabo für eine Zeitung zu geben?
Mark Eisenegger: Grundsätzlich finde ich das ein gutes Experiment. Wir wissen aus der Forschung von Studien, dass junge Menschen, die nur auf Social Media unterwegs sind, weniger über Politik wissen, im Vergleich zu Nutzerinnen und Nutzern, die sich auch über journalistische Medien informieren.
Es braucht nun eine intensive Begleitkommunikation, sodass klar wird: Eigentlich kostet Journalismus etwas und nach einer gewissen Zeit wird auch was verrechnet.
Auch die demokratische Partizipation korreliert mit der Nutzung von Journalismus. Doch die grosse Herausforderung ist, dass Journalismus ein Preisschild hat und dass man ihn mit diesem Schritt quasi verschenkt. Es braucht nun eine intensive Begleitkommunikation, sodass klar wird: Eigentlich kostet Journalismus etwas und nach einer gewissen Zeit wird auch was verrechnet. Und während der Zeit, in der sie gratis Zeitung lesen können, sollte man was zurückverlangen, nämlich, dass man eine Rückmeldung zu den Erfahrungen mit dem Journalismus erhält.
Kann man nicht davon ausgehen, dass die jungen Leute nachher ein Zeitungsabo bezahlen?
Nein. In der jetzigen Zeit, wo so vieles im Umbruch ist, auch im Mediensystem und mit KI, sind die Geschäftsmodelle des Journalismus bedroht. Man muss Dinge ausprobieren und das quasi auch begleiten, am besten mit Forschung. Ganz sicher können wir nicht sein, dass dieses Experiment ein glückliches Ende nehmen wird.
Ist das Geld das Hauptkriterium, wieso viele junge Menschen keine oder weniger klassische Medienangebote nutzen?
Es ist sicherlich ein wichtiges Argument. Es gibt Studien, bei denen Leute befragt wurden, wann sie für Journalismus bezahlen würden. Der Hauptteil der Leute sagte: «Ich würde nie für Journalismus bezahlen.» Und die, es sich trotzdem überlegen, betonen, dass der Preis wichtig sei. Wichtig ist auch, dass man nicht nur Zugang zu einem Medium kriegt, sondern zu verschiedenen. Und das ist, glaube ich, hier der Fall, man verschafft ihnen Zugang zu über 100 norwegischen Lokalzeitungen.
Wir wissen noch zu wenig darüber, welche Inhalte die Jungen ansprechen, wie sie wirken, wie sie aufbereitet sein müssen.
Herrscht eine gewisse Ratlosigkeit, wie man junge Menschen am besten erreicht?
Ratlosigkeit ist ein grosses Wort. Aber man muss ehrlich sein: Wir wissen noch zu wenig darüber, welche Inhalte die Jungen ansprechen, wie sie wirken, wie sie aufbereitet sein müssen. Wir wissen, dass die Person dahinter ganz wichtig ist. Junge Menschen wollen sich mit dem Absender eines journalistischen Inhaltes und generell mit Inhalten identifizieren können. Es braucht aber mehr Forschung dazu. Wenn man schon Journalismus verschenkt – finde ich –, müsste man in gewissen Abständen eine Befragung durchführen und genauer in Erfahrung bringen, wie Inhalte verpackt sein müssen, damit Journalismus wieder einen grösseren Eindruck bei jungen Menschen erreichen kann.
Das Gespräch führte Dominik Rolli.