Wiederholte Hänseleien, Schikanen, Rempeleien und manchmal sogar Diebstahl – die Zahl der Mobbingfälle steigt laut aktuellen Studien (Pisa 2019) alarmierend an.
Die Folgen können verheerend sein. Im Herbst 2023 nahm sich die 22-jährige Morane das Leben. Sie war fast vier Jahre lang gemobbt worden.
Daraufhin gründete Mélanie Comby, Moranes Mutter, den Verein «Morane». Seit eineinhalb Jahren klärt sie mit Schulbesuchen über die fatalen Folgen von Mobbing auf.
Samen bei den Schülerinnen und Schülern säen
«Das Foto, das Sie dort sehen, entstand drei Monate vor Moranes Tod. Sie behielt alles für sich, und zu keinem Zeitpunkt konnten wir erkennen, dass sie jahrelang gemobbt worden war», erzählt Mélanie einer Schulklasse. Von den ersten Worten an hören die Teenager fassungslos zu.
Mélanie Comby berichtet weiter: «Morane hatte stark abgenommen. Auf meine besorgte Nachfrage hin erklärte sie, eine Mädchengruppe würde sie ärgern, sie habe die Situation aber im Griff.»
«Man schrieb ihr Drohungen wie: ‹Wir werden dich zur Verzweiflung treiben und dich dabei filmen.› Eines Abends sagten sie ihr: ‹Du hast nur eines zu tun, geh und bring dich um.› Und das tat sie.»
Nach dem Besuch nehmen die Schülerinnen und Schüler zwar ihren Alltag wieder auf, doch Mélanie Comby hofft, den Samen des Nachdenkens gesät zu haben. «Ich werde künftig mehr über meine Taten und Worte reflektieren. Sehe ich jemanden allein, werde ich eher auf sie zugehen», versichert eine Schülerin.
Mobberin bricht ihr Schweigen
Zwei Jahrzehnte später quälen Laurence noch immer lebhafte Erinnerungen, wie sie in ihrer Jugend ein Mädchen gemobbt hat. «Ich lauerte ihr auf, machte ihr Angst, beschimpfte sie und machte mich über sie lustig. Wir sperrten sie in Toiletten ein, schlugen sie und zerrten an ihren Haaren. Ihre Demütigung war unsere Unterhaltung», gesteht sie gegenüber RTS.
«Mein Ziel war stets das Mädchen, das weniger im Mittelpunkt stand, das nicht die neueste Kleidung trug. Es ging darum, sicherzustellen, dass ich gut integriert blieb, dass mich die ganze Klasse mochte und ich mitspielen konnte. Doch wenn ich allein war, sagte ich mir: ‹Das geht nicht, ich muss aufhören.›» Schliesslich bat Laurence ihr Opfer um Verzeihung – und erhielt sie.
Ihre Taten verfolgen sie bis heute. «Ausgerechnet das Mädchen, das weniger im Rampenlicht stand und nicht modisch gekleidet war, hatte ich ausgewählt. Heute achte ich bei meinen Kindern extrem darauf, ihnen stets die neueste Kleidung zu kaufen – aus Angst vor einem Miststück wie mir, das ihnen wehtut.»
Mobbingprävention
Heute verfügen alle Schulen in der Westschweiz über Aktionspläne. Im Wallis ist der Kampf gegen Mobbing sogar gesetzlich verankert.
«Erst gestern betreuten wir ein weinendes Mädchen, das uns seine Situation schilderte. Wir werden Kontakt mit ihren Eltern aufnehmen, um ihr zu helfen und dafür zu sorgen, dass sie ihr Selbstvertrauen zurückgewinnt», erklärt Mélanie Comby.
Der Verein «Morane» hat eine rund um die Uhr erreichbare Telefonhotline eingerichtet. Wöchentlich gehen dort fünf bis sieben Hilferufe verzweifelter Schülerinnen und Schüler oder Eltern ein. Der Verein leitet sie an spezialisierte Fachstellen weiter.