Im Tessin mit seinen engen Tälern und steilen Hängen haben die Wälder eine besondere Bedeutung: Sie stützen die Erde, die sonst ins Tal abgleiten könnte. Zum Beispiel an den steilen Hängen des Monte Generoso. Hier, auf 900 Metern Höhe oberhalb von Capolago, hat die kantonale Forstbehörde zwölf Gebiete von je 40 mal 40 Metern eingezäunt.
«Wenn ein Baum umfällt, fehlt zunächst der Bodenschutz durch die Krone, wodurch sich der Abfluss der Niederschläge verändert», Adrian Oncelli, der Leiter des Amts für Waldplanung, Waldbau und Schutz, gegenüber dem Radio und Fernsehen der italienischsprachigen Schweiz (RSI). «Mit der Zeit fehlt aber auch die Verstärkung durch die Wurzeln, denn diese sind wie eine Klammer, die den Boden zusammenhält.»
So werden die Tessiner Wälder vor Hirschen geschützt
Mit dem gezielten Fällen von Bäumen versuchen die Forstleute, Sicherheitsprobleme zu vermeiden und Raum zu schaffen für die Erneuerung des Waldes. «Doch mit dem Druck des Hirschs ist es fast unmöglich, einen neuen Wald wachsen zu lassen», betont Oncelli. Die Tiere fressen die Jungpflanzen. «Es kommt zu Erosion, und das Erdmaterial sammelt sich im Tal, was Probleme für die Verkehrswege verursachen kann.»
Im Gebiet gibt es viele Rinnen, die Schlamm und Gesteinsbrocken schnell talwärts leiten. In dieser Zone hatte 2011 nach einem Unwetter ein Erdrutsch die Autobahn erreicht. Seither sind entlang der A2 Schutzbauten erstellt worden. Aber laut Edio Cavadini, dem Verantwortlichen für diese Bauten, gibt es keine hundertprozentige Sicherheit. Das Geröll sei immer noch ein Risiko.
3000 Hirsche und Gämse abgeschossen
Deshalb ist es wichtig, nicht nur im Tal, sondern auch in der Höhe einzugreifen. Die Zäune am Monte Generoso «wurden vor vier Jahren gebaut, um den künftigen Wald vor dem Druck durch Hirsch und Gämse zu schützen», erläutert Oncelli. «Im Inneren ist die Vegetation üppig und man findet verschiedene Arten, ausserhalb hingegen wächst praktisch nichts.»
Die Zäune ergänzen die Jagd, die darauf abzielt, die Anzahl der Huftiere zu begrenzen. «In den letzten Jahren hatten wir sehr ehrgeizige Abschusspläne», erklärt der Leiter des Jagd- und Fischereiamts, Tiziano Putelli. Jährlich würden etwa 3000 von insgesamt 7000 der Huftiere geschossen, die gemäss Schätzungen auf dem Kantonsgebiet leben. Das sei das Maximum, was mit der Jagd erreichbar sei.
Dem Forstexperten Oncelli wäre es am liebsten, wenn die Verjüngung der Wälder auf natürliche Weise erfolgen würde. Denn Zäune seien sehr teuer in der Errichtung und Wartung. Trotzdem werden auch in anderen Teilen des Kantons solche Schutzvorrichtungen erstellt. «Man muss bedenken», erläutert Oncelli, «dass sie den Wald für einige Jahrzehnte schützen müssen.» Denn solange dauere es, bis die Pflanzen vor dem Wild sicher sind.
Auch oberhalb von Capolago werden in den kommenden Monaten weitere zehn Zäune errichtet. Die Kosten von 800'000 Franken werden durch Beiträge des Kantons, aber auch der Stadt Mendrisio, des Bundes und der SBB gedeckt.