Das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS begleitete ein Paar aus dem Jura, welches möglicherweise zu den letzten gehören wird, die im Ausland adoptieren können. In der Reportage hinterfragt Chantip Vatanasusakun, Direktorin des Adoptionszentrums der thailändischen Abteilung für Kinder und Jugendliche, die Rechtschaffenheit des Schweizer Gesetzesentwurfs.
«Bevor sie internationale Adoptionen verbieten, bitte ich die Schweiz zu überlegen: Was ist das übergeordnete Interesse dieser Kinder?», fragt Vatanasusakun. «Verletzen wir die Menschenrechte? Nein, wir verteidigen sie. Wir stellen sicher, dass jedes Kind die Chance hat, seine Identität kennen zu lernen, in Würde aufzuwachsen und einen Lebenssinn zu haben.»
Der Vorschlag des Bundesrats, Auslandsadoptionen zu verbieten, folgt auf zahlreiche Skandale mit illegaler Adoption und Kinderhandel.
«Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, zu welchem Preis wollen wir internationale Adoptionen fortführen», erklärt Joëlle Schickel-Küng, Co-Leiterin des Fachbereichs Internationales Privatrecht im Eidgenössischen Justizdepartement. «Es gibt zu viele Unbekannte, zu viele dem System inhärente Risiken, die mit verschiedenen Faktoren in den Herkunftsländern zusammenhängen. Wir können kontrollieren, was in der Schweiz passiert, aber nicht, was im Ausland geschieht. Es gab enorme Fortschritte, aber mit den Schwachstellen im System gibt es einen Anteil an Risiken, die wir nicht ausschliessen können», sagt sie gegenüber RTS.
Strenge Verfahren in Thailand
In der thailändischen Hauptstadt Bangkok betont man hingegen die strengen Verfahren, welche eingeführt wurden, um Kinderhandel zu verhindern. DNA-Tests, Überprüfungen durch die Königlich-Thailändische Polizei und eine gründliche Prüfung aller Dokumente sowie der adoptionswilligen Familien.
«Wenn jemand ein Kind bringt und behauptet, die Mutter zu sein, ohne Dokumente, die das beweisen, verwenden wir wissenschaftliche Methoden, wir führen einen DNA-Test durch», erklärt Vatanasusakun. «Wir überprüfen, ob ein Kind vermisst oder ausgesetzt wurde, wir wenden alle verfügbaren rechtlichen und forensischen Verfahren an.»
Angesichts dieser Garantien äussert die thailändische Direktorin ihr Unverständnis über den Gesetzesentwurf. «Warum wollen Sie thailändische Kinder verbannen? Ehrlich gesagt ist das für uns unverständlich, und wir hätten gerne eine Erklärung.»
Adoption als beste Option
Die thailändischen Behörden argumentieren, dass für viele Kinder die internationale Adoption die beste Chance auf ein Familienleben biete. Ohne diese Option sollen Kinder, die bis zum Erwachsenenalter in Waisenhäuser bleiben, begrenzte Perspektiven haben.
Die RTS-Reportage in voller Länge (mit dt. Untertiteln):
«Kinder, die bei der Geburt verlassen wurden, behalten diese Trennung, diese Verletzung in Erinnerung», erklärt Dr. Martine Bideau, eine auf Adoption spezialisierte Kinderärztin in Genf. «Alle Kinder brauchen eine liebevolle Familie, die sie begleiten. Ein Leben in einem Waisenhaus bedeutet, dass sich Kinder nicht so entwickeln, wie sie sollten, weder in Bezug auf ihre Intelligenz noch in sozialer und emotionaler Hinsicht.»
Der Vorschlag des Bundesrats, internationale Adoptionen zu verbieten, wird demnächst im Parlament diskutiert. Im April sprach sich die Rechtskommission des Nationalrats mit 19 zu 6 Stimmen gegen das Verbot aus.