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Jugendproteste gegen Polizei Wie der «Strassenpädagoge» der Polizei die Wut der Jugend erklärt

Er stelle bei Jugendlichen ein wachsendes Misstrauen gegenüber der Polizei fest. Das sagt der Verantwortliche für Kriminalprävention im Kanton Neuenburg. Der Grund aus seiner Sicht: Die Eltern setzen ihren Kindern zu wenig Grenzen.

In Neuenburg ist es schwierig, einen Jugendlichen zu finden, der Daniel Favre noch nie begegnet ist. Von seinen Kollegen der Kantonspolizei wird er schlicht «der Pfarrer» genannt.

Die letzten zehn Jahre hat Favre damit verbracht, Schulen und Quartiere im Rahmen seiner Funktion als Verantwortlicher für Kriminalprävention zu besuchen. Im Oktober wird er nach fast 40 Jahren bei der Polizei in den Ruhestand gehen.

Oft ist es so, dass die Eltern erst eingreifen und die Sache wieder in die Hand nehmen, wenn es bereits zu spät ist.
Autor: Daniel Favre Verantwortlicher für Kriminalprävention im Kanton Neuenburg

Bevor er das tut, ist es ihm ein Anliegen, diese Botschaft zu vermitteln: «Die Eltern müssen ihren Platz wiederfinden.»

Hören Sie Daniel Favre im Gespräch (mit dt. Untertiteln):

Mit «Trauer» habe er die jüngsten Unruhen in Lausanne beobachtet, wie dort wütende Jugendliche Abfallbehälter angezündet und ihr Misstrauen gegenüber der Polizei hinausgeschrien hätten, sagte Favre gegenüber dem Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS). All das hätte seiner Ansicht nach vermieden werden können, wenn die Eltern ihre zentrale Rolle in der Familie behalten hätten.

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«Gehen Sie in ein Geschäft und schauen Sie, wie die Kinder es wagen, mit ihnen zu sprechen», argumentiert der Polizist. «Oft ist es so, dass die Eltern erst eingreifen und die Sache wieder in die Hand nehmen, wenn es bereits zu spät ist. Wenn vorher ein Rahmen gesetzt worden wäre, müsste die Polizei – die der letzte Ausweg sein sollte – nicht eingreifen.»

Die meisten Polizisten leisten «unglaubliche Arbeit»

In einer Zeit, wo manche die Polizei des systematischen Rassismus beschuldigen, antwortet Daniel Favre ohne auszuweichen: «Ja, gewisse Jugendliche haben mich manchmal des Rassismus bezichtigt. Aber ich antwortete ihnen, dass nicht ihre Hautfarbe problematisch sei, sondern ihr Verhalten. Die Hautfarbe darf nicht als Alibi dienen.»

Favre anerkennt, dass es zu Entgleisungen gekommen ist. «99 Prozent der Polizisten leisten unglaubliche Arbeit.» Aber «einige schwarze Schafe, die Dinge auf WhatsApp posten», reichten aus, um das Vertrauen zu zerstören.

Es ist wichtig, sich in die Reichweite der Jugendlichen zu begeben, nicht auf ihr Niveau, und eine Verbindung zu schaffen.
Autor: Daniel Favre Verantwortlicher für Kriminalprävention im Kanton Neuenburg

Genau dieses Vertrauen hat er selbst über die Jahre aufgebaut, indem er die Begegnungen suchte, die Jugendlichen duzte und akzeptierte, dass sie ihn «Daniel» nannten. «Es ist wichtig, sich in die Reichweite der Jugendlichen zu begeben, nicht auf ihr Niveau, und eine Verbindung zu schaffen, bevor es kaputtgeht», präzisiert der Polizist.

Er bezeichnet sich selbst als «Strassenpädagoge» - eine Mischung aus Nähe und Festigkeit, denn «ich bleibe die Autorität», die sein Markenzeichen sei.

Die Problematik der sozialen Netzwerke

Das Misstrauen gegenüber der Polizei werde gefördert von den sozialen Netzwerken, wo die Überbietung dominiere und die Nachahmung gefördert werde. Was zum Beispiel in den französischen Vororten passiere, könne gewissen Jugendlichen in der Schweiz einen «Eindruck der Straflosigkeit» vermitteln und sie ermutigen, gewisse verwerfliche Verhaltensweisen nachzuahmen.

«Ein Jugendlicher kann sein Leben mit 100'000 Franken Schulden beginnen, weil er Dummheiten begangen und Material kaputt gemacht hat», betont Favre. «Er mag glauben, dass er davonkommt, wenn das Gericht milde gestimmt ist. Aber die Gesellschaft wird nicht vergessen. Eine Wohnung zu finden, wird für ihn kompliziert werden.»

RTS, La Matinale, 17.9.2025; noes

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