Der abgebrochene Birchgletscher und das ansteigende Wasser der Lonza haben das touristische Herz des Lötschentals zerstört. Das Dorf Blatten war Teil der Unesco-Weltkulturerbe-Stätte Jungfrau-Aletsch.
Original-Bericht von RTS über die Traditionen des Lötschentals
Thomas Antonietti, Co-Kurator des Lötschentaler Museums, drückt seine Bestürzung aus über das Ausmass der Tragödie. «Die Gemeinde Blatten existiert zwar noch, sie ist aber mehr oder weniger verschwunden», sagte er gegenüber dem Radio und Fernsehen der französischsprachigen Schweiz (RTS). Für ihn ist der Schock umso grösser, da mehrere seiner Kollegen, genauso wie die rund 300 Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde, alles verloren haben.
Aber Blatten ist viel mehr als die teilweise jahrhundertealten Mauern seiner Chalets: Für viele war das Dorf die Seele eines Tals, das reich ist an Traditionen.
Angefangen bei den berühmten Tschägättä, den Fasnachtsfiguren, die jedes Jahr durch die verschneiten Strassen von Blatten zogen. «Es ist das ikonische Symbol unseres Tals», sagte Mathias Fleischmann, Direktor von Lötschental Marketing.
Das Lötschental zeichnet sich auch durch seine religiöse Inbrunst aus. «Es gibt hier einen tiefen Glauben, mehr als in anderen Teilen des Wallis», betont der Historiker Jean-Henry Papilloud.
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Dieser Glaube kommt insbesondere an Fronleichnam zum Ausdruck, wo die Grenadiere traditionell die Messe und die Prozessionen begleiten, oder an Allerheiligen, das Blatten und die Nachbardörfer vereinte.
Heute werden die Erinnerungen an Blatten in den sozialen Medien in vielen Sprachen ausgedrückt. Besucher aus der ganzen Welt teilen die Momente, die sie in diesem «unglaublich schönen und friedlichen» Dorf verbracht haben.
Sorge wegen des Katastrophentourismus
Für das Lötschental ist der Tourismus sehr wichtig. «Er hat sich später als anderswo entwickelt, nach der Eröffnung des Lötschbergtunnels», erinnert sich Mathias Fleischmann.
Mit dem Verschwinden von drei Hotels unter den Trümmern und der Schliessung eines Teils der Infrastruktur des Tals wird die Tourismussaison stark beeinträchtigt werden. Dafür wird wohl eine andere Form des Tourismus auftauchen. «Man muss jetzt die Ankunft neugieriger Menschen befürchten, die die Dinge aus der Nähe sehen wollen, das Leid, die Schäden. Das ist das, was wir Katastrophentourismus nennen», sagt Rafael Matos-Wasem, ehemaliger Professor für Tourismus an der Hochschule für Wirtschaft des Wallis.
Für die Zukunft wartet der ausgebildete Geograf ab, wie sich die Situation entwickelt. «Vielleicht kann man das Dorf wieder aufbauen. Und einen Ort der Erinnerung schaffen, wo sich die Menschen besinnen und sich an die Ereignisse der letzten Tage erinnern können.»