Seit 2023 untersucht die grosse SRG-Umfrage «Wie geht’s, Schweiz?» die Befindlichkeit der Bevölkerung. Dieses Jahr ging es darin erstmals auch um die Stellung der Schweiz in der Welt.
Die am Donnerstag veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass die von Donald Trump ausgelösten geopolitischen und wirtschaftlichen Umwälzungen Spuren in der öffentlichen Meinung hinterlassen.
Eine gut positionierte Schweiz, der es aber an Einfluss fehlt
Trotz dieser Umwälzungen wird die Schweiz von einer grossen Mehrheit der Befragten in vielen Bereichen im internationalen Vergleich als gut aufgestellt wahrgenommen: politische Stabilität, Bildung und Forschung, Freiheit, Innovation.
Nur ein negativer Punkt fällt auf: der Einfluss des Landes auf der internationalen Bühne. Lediglich ein Drittel der Schweizerinnen und Schweizer beurteilt diesen als eher gut oder sehr gut.
Für fast 60 Prozent der Bevölkerung ist der Einfluss der Schweiz in der Welt eher schlecht oder sehr schlecht.
Dieses Gefühl einer gewissen Machtlosigkeit der Schweiz äussert sich auch in der weit verbreiteten Sorge wegen der Rückkehr des Rechts des Stärkeren in der Weltpolitik. Fast vier von fünf Befragten erwarten, dass dieses Thema sie in den kommenden Jahren stark (46.7 %) oder ziemlich stark (32.2 %) beschäftigen wird. Besonders ausgeprägt ist die Besorgnis bei Menschen ab 65 (88.2 %) und Frauen (82 %).
Die Schweiz muss sich gegenüber den USA und China behaupten
Seit Trumps Rückkehr als US-Präsident werden viele langjährige Gewissheiten infrage gestellt, wie die regelbasierte Weltordnung oder der auf Freihandel beruhende internationale Handel. «Das ist ein strukturelles Problem für die Schweiz: Sie muss ihren Platz neu finden und ihre Beziehungen neu ordnen. Die Bevölkerung spürt das, und das erzeugt Unsicherheit», kommentiert Urs Bieri, Co-Leiter des Instituts GFS Bern, das die Umfrage durchgeführt hat.
Das widerspiegelt sich auch in den aussenpolitischen Prioritäten, die sich aus der Umfrage ergeben. Für eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung sind bestmögliche Bedingungen für Schweizer Unternehmen auf den Weltmärkten Priorität Nummer eins.
Gleichzeitig sind mehr als 80 Prozent der Meinung, die Schweiz müsse gegenüber den beiden Grossmächten USA und China eine deutlichere Haltung einnehmen.
Und über 60 Prozent sprechen sich für eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit der EU auf einer soliden vertraglichen Grundlage aus.
Wird Donald Trump das Europadossier beeinflussen?
Die Bestrebungen zur Annäherung an die EU erfolgen wenige Monate, nachdem der Bundesrat grünes Licht für das Vertragspaket zwischen der Schweiz und der EU gegeben hat. Derzeit befindet sich dieses in der Vernehmlassung. Die Texte sollen 2027 oder 2028 dem Volk vorgelegt werden.
Im Hinblick auf diesen wichtigen Abstimmungstermin warnt Urs Bieri vor voreiligen Schlüssen aus den Umfrageergebnissen. Die Befragung habe sich auf die Beziehungen der Schweiz zur EU im Allgemeinen bezogen. Fragen speziell zum neuen Vertragspaket seien nicht gestellt worden.
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Die Politik der Regierung Trump könnte die Abstimmung dennoch beeinflussen – es werden bereits eine erbitterte Kampagne und eine hochemotionale Volksabstimmung erwartet, vergleichbar mit der Abstimmung über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Dezember 1992.