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Naturkatastrophen Wie die Schweiz ihre Dörfer vor Schlammlawinen schützt

Die jüngsten Schlammlawinen in der Schweiz haben Todesopfer gefordert und grosse Schäden angerichtet. Warnsysteme und Schutzzäune können das Schlimmste verhindern. Es gibt aber auch Stimmen, die drastische Lösungen vorschlagen, um der zunehmenden Gefahr von Naturkatastrophen zu begegnen.

Beschädigte und zerstörte Häuser und Strassen und mindestens zwölf Tote oder Vermisste: Das ist die Bilanz der Unwetter, welche die Schweizer Südkantone zwischen Mitte Juni und Anfang Juli heimgesucht haben. Die starken Regenfälle setzten Felsmaterial in Bewegung und lösten Schlamm- und Steinlawinen aus.

Was ist ein Murgang?

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Ein Murgang ist eine Art Erdrutsch, bei dem Wasser, vermischt mit Erde und Gestein, den Berg herunterfliesst. Umgangssprachlich spricht man auch von einer Schlammlawine.

Murgänge entstehen in der Regel in Bachbetten oder Rinnsalen mit einem Gefälle von mehr als 25 Prozent. Es ist jedoch praktisch unmöglich, im Voraus zu wissen, wo sie entstehen werden.

Jährlich verursachen Murgänge Schäden von durchschnittlich 100 Millionen Franken. Der Klimawandel wird laut der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zu einer Zunahme von extremen Niederschlagereignissen führen  und damit das Risiko von Murgängen erhöhen.

Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung und der Infrastruktur sind daher unverzichtbar, besonders in bereits betroffenen oder als gefährdet geltenden Gebieten. Es gibt im Wesentlichen zwei Lösungen: Warnsysteme und Schutzbauten.

Warnung mittels KI

Warnsysteme können die Möglichkeit eines Murgangs vorhersagen  oder Bewegungen von Geschiebe erkennen, wenn diese bereits im Gang sind. Im ersten Fall basieren die Vorhersagen primär auf der Regenmenge. Das habe den Vorteil, dass Feuerwehr und Polizei alarmiert werden können, sagt Alexandre Badoux, Murgangexperte bei der WSL.

Murgänge bildende Bäche reagieren nicht alle gleich auf Starkniederschläge: Deshalb ist es schwierig, einen Schwellenwert für die Niederschlagsmenge festzulegen, der für eine ganze Region gilt, ohne Fehlalarme auszulösen.

Mit «dialog» einen Blick über die Sprachgrenzen werfen

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Dieser Artikel erschien zuerst auf bei SWI swissinfo.ch und wurde von der «dialog»-Redaktion gekürzt. Die Originalversion können Sie auf  SWI lesen.

«dialog»  ist das Angebot der SRG, das mit Debatten und dem Austausch von Inhalten Brücken baut zwischen den Sprachregionen in der Schweiz und den Schweizerinnen und Schweizern im Ausland.

Das andere System erkennt einen Murgang mithilfe von Instrumenten, die im Bachbett oder am Ufer installiert werden. Metallische Reissleinen brechen beim Durchgang von Material, während Sensoren die sich im Boden ausbreitenden Wellen auffangen. Auch hier gibt es Nachteile: Beginnt der Murgang abwärts zu fliessen, bleibt meist wenig Zeit, um Alarm zu schlagen. Um Zeit zu gewinnen, haben Forschende ein Alarmsystem entwickelt, das auf KI basiert.

Der Algorithmus, der mit den Daten früherer Murgänge trainiert wurde, ist in der Lage, Materialbewegungen von Erschütterungen zu unterscheiden, die etwa Kuhherden oder der Bahnverkehr verursachen. Das System wurde  2020 im Wallis getestet . Mit einem erfreulichen Resultat: Die Vorwarnzeit konnte dabei um 20 Minuten verlängert werden.

Stahlnetze schützen Infrastruktur

«Warnsysteme können Menschen schützen und Leben retten», sagt Badoux. «Schäden an der Infrastruktur können sie aber nicht verhindern.» Betonmauern und Dämme können Häuser und Infrastruktur vor Murgängen schützen. Doch sie sind teuer und brauchen viel Platz.

Ein zerstörtes Haus nach dem Murgang in Lostallo, Graubünden.
Legende: Murgang in Lostallo, Graubünden, 25. Juni 2024. Keystone / Ti-Press / Alessandro Crinari

Eine Alternative sind Stahlnetzbarrieren, die schon gegen Erdrutsche und Lawinen eingesetzt werden. Seit 2007 wurden  in der Schweiz über 110 solcher Barrieren errichtet .

Doch wie die Warnsysteme haben auch die Stahlnetze ihre Grenzen. Sie seien nur dort sinnvoll, wo sich selten Murgänge bilden, sagt Badoux. «Sonst müssten sie ständig gereinigt werden, was enorme Kosten verursacht.» Ein weiterer Schutz gegen Murgänge sind Rückhaltebecken. Sie können grosse Materialmengen aufnehmen, benötigen aber eine grosse Fläche.

Verzicht auf die am meisten gefährdeten Alpentäler?

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Für Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur in Wien, sind gegen die Problematik der Hochwasser und Murgänge drastische Lösungen unumgänglich.

Schäden wie in diesem Sommer in der Schweiz seien zwar noch zu reparieren, «aber wenn das zweimal oder dreimal passiert, und dann noch in einem ohnehin schon dünn besiedelten Gebiet, dann kann man einen Wiederaufbau sozioökonomisch nicht mehr rechtfertigen»,  sagte er der Neuen Zürcher Zeitung .

Bis zum Ende des Jahrhunderts rechnet er damit, dass einige exponierte Alpentäler teilweise aufgegeben werden müssen.

Für Carmelia Maissen ist dies eine «verkürzte und zynische Sicht auf das Thema». Sie ist Präsidentin der Regierungskonferenz der Gebirgskantone.

Auch wenn es in Einzelfällen zu Umsiedlungen kommen könne, dürften nicht ganze Täler aufgegeben werden, sagte sie der gleichen Zeitung. Man müsse nun analysieren, was in den Unwettergebieten passiert sei und unter Berücksichtigung der Klimaszenarien die Schwachstellen identifizieren.

Mitarbeit: Céline Stegmüller/SWI

Regionaljournal Graubünden 3.8.2024 17.30 Uhr;stal

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