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Ohne technische Hilfsmittel Gaza: Identifizierung der Leichen kaum möglich

Während Israel und die Hamas weiterhin Leichen austauschen, suchen Tausende Menschen in Gaza noch immer nach vermissten Angehörigen. Ohne technische Hilfsmittel bleibt ihnen nur, entstellte Gesichter, Kleidung oder Narben zu prüfen. Eine Reportage aus dem Nasser-Spital.

Samah sucht seit über zwei Jahren nach einem ihrer Zwillinge. Der Junge verschwand am ersten Kriegstag im Alter von 15 Jahren. Bis heute weiss die Mutter nicht, ob er tot oder lebendig ist – ob er unter Trümmern liegt oder von Israel festgehalten wird.

Zum siebten Mal ist sie ins Nasser-Spital gekommen, in der Hoffnung, ihn unter den neu eingetroffenen Leichen zu finden.

«Wenn ich dorthin gehe, komme ich psychisch gebrochen zurück. Wir erkennen unsere Kinder nicht einmal mehr unter den Leichen, die wir im Spital sehen. Es ist sehr hart», erzählt sie gegenüber dem Westschweizer Radio und Fernsehen RTS.

Schwierige Identifizierung

In den letzten Tagen hat sich der Austausch von Leichen im Zuge der unter US-Druck vereinbarten Waffenruhe intensiviert. Am Samstag bestätigte Israel den Erhalt der Leiche einer Geisel und übergab im Gegenzug diejenigen von 15 Palästinensern. Tags zuvor waren 30 weitere Leichen ins Nasser-Spital gebracht worden – im Austausch gegen zwei israelische Geiseln.

Die schwierige Suche nach den Angehörigen (mit dt. Untertiteln)

Das Spital verfügt über keinerlei Technik zur Identifizierung der Toten, weder der von Israel zurückgegebenen noch der unter Trümmern gefundenen. Die Familien müssen selbst nach Hinweisen suchen: auf Fotos von Leichen, in Gebissen, Kleidungsstücken oder anderen kleinen Details.

Die Körper der Toten tragen weder Namen noch Datum noch Todesursache. Es sei unmöglich, Zivilisten von Kämpfern zu unterscheiden. Diese Ungewissheit hindere die Familien am Trauern, wie Samah berichtet.

Friedhof der Unbekannten

Von den 225 zurückgegebenen Leichen konnten bisher nur 77 identifiziert werden.

«Wir bewahren sie vier bis fünf Tage auf. Wenn sie nicht identifiziert werden, begraben wir sie auf dem Friedhof der Unbekannten in Deir al-Balah», erklärt Sameh Yassine Hamad, Vertreter des Komitees für die Verwaltung von Leichen im Bezirk Chan Yunis.

Männer in Gaza tragen einen in weisses Tuch gehüllten Leichnam.
Legende: In Gaza suchen Tausende Menschen nach den Leichen ihrer vermissten Angehörigen. RTS

Nach Angaben des palästinensischen Zivilschutzes und der UNO sollen noch immer zwischen 10'000 und 20'000 Menschen in den 53 Prozent des Gazastreifens, die von der israelischen Armee kontrolliert werden, verschüttet sein. Die lokalen und ägyptischen Behörden dürfen dort nach israelischen Geiseln suchen – für palästinensische Zivilisten bleibt die Zone jedoch unzugänglich.

RTS 19h30, 8.11.2025, 19:30 Uhr; sten

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