«Auf der Website Itiner-e sind 200 Jahre Forschung gebündelt», betont Tom Brughmans, ausserordentlicher Professor für Archäologie an der Universität Aarhus in Dänemark und Co-Leiter des Projekts. «Wir haben alles, was man über die Orte weiss, an denen Spuren der Strassen ausgegraben wurden, mit Satellitenbildern und topografischen Karten kombiniert.»
Die Erkenntnis daraus laute, «dass die Strassen des Römischen Reiches viel länger sind als bisher angenommen», präzisiert Brughmans.
Erkenntnisse aus dem Tool am Beispiel von Lausanne:
Das Online-Tool bildet 300'000 Kilometer römischer Strassen ab, 100'000 mehr als bisher angenommen. Einige der Strassen auf der Onlinekarte waren bisher unbekannt. Bei anderen wird der Verlauf präziser angezeigt als zuvor – zum Beispiel werden nun Strassen, die im Zickzack zu einem Bergpass führten, nicht mehr wie bisher als gerade Linie dargestellt.
Fenster in die Vergangenheit
Jede und jeder kann mit diesem Tool entdecken, wo die römischen Strassen verliefen. Es ist wie ein Fenster in die Vergangenheit, das erlaubt, die lange Geschichte des alten Kontinents noch besser zu verstehen.
Einige der römischen Strassen durchquerten die heutige Westschweiz. Sie kreuzten sich in Lausanne, in der Nähe des Museums und der römischen Ruinen von Vidy. Gemäss der Website wurden die Lausanner Strassen von Kaiser Claudius im Jahr 47 nach Christus erbaut.
«Der Decumanus maximus – die Hauptstrasse, die die Stadt Lousonna von Ost nach West durchquert – führt zu mehreren ihrer wichtigsten Gebäude wie dem grossen Tempel», erläutert die Direktorin des Römischen Museums Lausanne-Vidy, Karine Meylan.
«Dieses Strassennetz war wirklich entscheidend für das Römische Reich», betont Meylan. «Es ermöglichte es, die politische und militärische Macht zu festigen, und es förderte auch den kulturellen Austausch.» Als Beispiel nennt sie den Kult der ägyptischen Göttin Isis, der in Lausanne praktiziert worden sei. Dies sei nur dank des Strassennetzes möglich gewesen.
Das Karten-Tool erlaubt es, den Aufstieg der römischen Wirtschaft besser zu verstehen, und auch die Ausbreitung von Epidemien durch Massenwanderungen, ebenso wie die Invasion der germanischen Völker über dieselben Strassen, die schliesslich zum Fall des Römischen Reiches führte.
Noch viele Strassen zu entdecken
Das Projekt steht erst am Anfang. «Viele römische Siedlungen sind noch nicht verbunden mit einer Strasse aus unserem Netz», räumt Co-Projektleiter Tom Brughmans ein. «Viele dieser Wege können noch entdeckt werden, auch in der Schweiz.»
Und Museumsdirektorin Meylan ergänzt: «In Lousonna haben die Archäologen gerade zwei neue Strassenabschnitte entdeckt. Sie wurden noch nicht inventarisiert und können bald zu dieser neuen digitalen Karte hinzugefügt werden.»