Wie Fentanyl wird Nitazen im Labor hergestellt. Es wirkt ähnlich wie Opiate aus Mohn, zum Beispiel Heroin, ist aber gemäss Fachleuten für Suchtmedizin viel stärker und schwieriger zu dosieren. Es wurde in den 1950er-Jahren als Schmerzmittel entwickelt, vom Schweizer Pharmaunternehmen Ciba, das heute zu Novartis gehört.
Kriminelle Netzwerke haben das Rezept übernommen und zweckentfremdet. Nitazen tauchte zuerst in den USA und in Kanada auf und dann ab 2019 auch in Europa. Heute erfolgt seine Produktion und der Vertrieb hauptsächlich illegal aus China. 2023 meldeten gemäss den Vereinten Nationen (UNO) 28 Länder das Vorkommen von etwa 20 verschiedenen Arten von Nitazen.
Erläuterungen zur Nitazen-Gefahr im Beitrag von RTS:
Der Grund fürs Auftauchen von Nitazen auf dem europäischen Markt sei der Rückgang der Opiumproduktion in Afghanistan, erklärte Gillian Shorter, Dozentin für Klinische Psychologie und Expertin für die Opioidkrise in Grossbritannien, gegenüber dem Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS). Der Heroinmarkt in Europa werde hauptsächlich aus Afghanistan versorgt, und Nitazen fülle hier gewissermassen eine Lücke.
Das hochgradig süchtig machende synthetische Opioid wird heute hauptsächlich als Mittel verwendet, um Heroin zu strecken. Die Konsumentinnen und Konsumenten merken in diesem Fall nicht, dass sie Nitazen konsumieren.
Diskutieren Sie mit:
Nitazen stelle ein tödliches Risiko dar, betont David Tebbet von der unabhängigen Organisation Transform Drug Policy Foundation mit Sitz in Grossbritannien. «Die Wirkung von Nitazen ist unglaublich.» Es sei so stark, dass «eine winzige Menge, vergleichbar mit einem Sandkorn», zu einem gefährlichen Abflachen des Atems führen könne.
Mehr Todesfälle wegen Überdosis
In Estland hat in den letzten Jahren nach UNO-Angaben die Zahl der Todesfälle wegen einer Überdosis Nitazen zugenommen. In Grossbritannien wurden gemäss offiziellen Zahlen zwischen Juni 2023 und Januar 2025 458 Todesfälle im Zusammenhang mit Nitazen registriert. «In jeder Region Englands gab es mindestens einen Todesfall im Zusammenhang mit Nitazen», warnt die Expertin Gillian Shorter.
In der Schweiz gibt es keine genauen Zahlen. In Drogentest-Stellen habe man aber schon Nitazen gefunden, berichtet Barbara Broers, Professorin für Suchtmedizin an der Universität Genf. «Es handelte sich eher um Leute, die Produkte im Internet bestellt hatten. Vielleicht ist das nur die Spitze des Eisbergs, und es gibt sie schon überall ein bisschen.»
Die grosse Herausforderung bei dieser tödlichen Substanz besteht darin, sie zu erkennen, da viele toxikologische Tests auf dem Markt dazu nicht in der Lage sind. Auch bei einer Autopsie ist es möglich, dass Ärzte nur die ersten im Körper gefundenen Drogen analysieren und das Vorhandensein von Nitazen übersehen.
Suchtexperten befürchten, dass es auf europäischem Boden zu einer Opioidkrise kommen könnte. Sie fordern, dass mehr in die Prävention investiert wird: Zum Beispiel in mehr Stellen, in denen Konsumenten und Konsumentinnen ihre Drogen testen lassen können, um zu wissen, woraus sie bestehen.