Auf Plattformen wie Polymarket oder Kalshi wird in Kryptowährungen auf das Weltgeschehen gewettet. Polymarket wurde berühmt, weil dort das Ergebnis der US-Wahlen richtig vorhergesagt wurde: ein Sieg von Donald Trump gegen Kamala Harris. In der Schweiz, Belgien und Thailand sind diese sogenannten Prognosemärkte verboten, da sie als illegales Glücksspiel gelten.
Fachleute warnen vor den Wettplattformen:
Auf den Plattformen werden teils menschliche Tragödien in ein Spiel umgewandelt. Als im Juni 2023 das U-Boot «Titan» mit fünf Passagieren an Bord verschwand, wetteten Internetnutzer 300'000 Dollar auf deren Schicksal. Einige gewannen bis zu 8000 Dollar. Das Prinzip? Je wahrscheinlicher ein Ereignis erscheint, desto höher der Preis, um darauf zu wetten.
Eine Frage der Ethik
Diese Plattformen ziehen vor allem hypervernetzte junge Menschen an, die bereit sind, auf alles zu wetten. Jedoch: Auf Gaza, eine Naturkatastrophe oder den Tod zu wetten, wirft ethische Fragen auf. Ereignisse werden spielerisch gestaltet, obwohl sich dahinter teils menschliche Tragödien verbergen.
Für Julien Pillot werfen diese Plattformen auch Fragen nach der «Monetarisierung der Realität» und der «Gamification» auf. Pillot ist Doktor der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Nizza und Dozent und Forscher an der INSEEC Business School und meint: «Vielleicht werden wir in ein paar Jahren (...) erkennen, dass dies auch zu einer Art Entmenschlichung führen kann.»
Wetten sind keine Umfragen
Auch Dominique Boullier, Soziologe an der Sciences Po Paris, warnt: Diese Wetten haben «nichts mit einer Meinungsumfrage zu tun. (...) Es gibt keinen ethischen Kodex und keine Kontrolle von irgendetwas».
Ihm zufolge «müssen die Massenmedien diese Fälle zwingend ausblenden und sie als völlig periphere Daten betrachten, die die öffentliche Debatte nicht beeinflussen können». Dennoch haben Beispiele gezeigt, dass diese Wetten Abstimmungen beeinflussen können, da Vorhersagen einen möglichen Orakeleffekt erzeugen.
«Manipulation» bei den Wahlen in Rumänien
Das könnte bei den rumänischen Präsidentschaftswahlen eine Rolle gespielt haben. Der rumänische Informatiker Alexandru Leca hat mit seinem Team das Verhalten der Wettenden während der Wahlen analysiert. Er sagt: Polymarket sei «eine Handelsplattform, die nach den gleichen Regeln funktioniert wie Börsenhandelsplattformen. (...) Grundsätzlich bilden sich die Preise nach Angebot und Nachfrage.»
Leca enthüllte, dass ein anonymer Investor über 2,5 Millionen US-Dollar ausgegeben hatte, um die Popularität von George Simion, einem der beiden rumänischen Präsidentschaftskandidaten, auf Polymarket zu beeinflussen.
«Es ist eine Form der Manipulation, bei der das Rating eines Kandidaten durch die Platzierung von Zehntausenden von Aufträgen künstlich aufrechterhalten wird», so Leca. «Es gab Konten auf Polymarket, die nonstop diese Orders platzierten, insgesamt 2 bis 3 Millionen. Als Simions Preis stark fiel, wurden bis zu 40'000 Dollar investiert. Es war eindeutig ein Algorithmus, der Transaktionen entsprechend der Preisrückgänge durchführte, um sie abzufedern.»
Diese Prognosemärkte gehen über die einfache wirtschaftliche Frage hinaus. Sie verwandeln Unsicherheit in Gewinnchancen.