Am vergangenen Sonntag erreichte Shirine Dajani ihre Verwandten im Gazastreifen erstmals seit zwei Monaten. «Die Eltern essen vielleicht jeden zweiten oder dritten Tag, damit sie das Essen den Kindern geben können», so Dajani.
Die Familie lebe zurzeit in einem Zelt im Süden Gazas, leide unter Hunger und dem Verlust ihrer zehnjährigen Tochter, die Patentochter Dajanis, die im Dezember 2023 von einer Bombe getötet worden war. Dajani fordert mit ihrer Organisation «Palestine Solidarity Switzerland» vom Bundesrat eine öffentliche Verurteilung von Israel und vehementen Druck auf die israelische Regierung, damit humanitäre Hilfe ungehindert nach Gaza gelangt.
Es sind tausende ähnliche Schicksale, die spätestens seit der neuen Offensive Israels im Gazastreifen die internationale Politik aufrütteln – auch in der Schweiz.
Bundesrat unter Beschuss
Cédric Wermuth, Co-Präsident der SP, zeigt sich angesichts der katastrophalen humanitären Lage empört über die Position des Bundesrates: «Zu schweigen, wie das faktisch der Bundesrat tut», das sei wie «sich auf eine Seite stellen, und zwar auf die Seite der Kriegsverbrecher.»
Wermuth wünscht sich eine klarere Verurteilung von Israels humanitärer Blockade und den Verstössen Israels gegen das humanitäre Völkerrecht. Besonders stört er sich an der Weigerung der Schweiz, sich einem internationalen Appell von über 20 Staaten anzuschliessen, die eine umgehende Zulassung humanitärer Hilfe für den Gazastreifen fordert.
Anders beurteilt Ständerätin Marianne Binder (Mitte/AG) die Reaktion des Bundesrates: «Er hat klipp und klar eine Stellungnahme gemacht, die heisst, dass Israel diese Blockade aufheben muss.»
«Zusätzlich hat er auch Gelder bewilligt für Hilfswerke in Gaza», sagt Binder. Was dabei vergessen gehe, sei, «wer wirklich die Ursache der riesigen Katastrophe ist. Das ist nicht einfach Israel. Das ist die Hamas.»
Druck auf die israelische Regierung steigt
Zweifel, ob eine klare Positionierung oder gar Sanktionen der Schweiz oder der EU wirklich etwas an der Lage in Gaza ändern, äussert Richard C. Schneider. Er ist langjähriger Korrespondent der ARD in Tel Aviv. Aufrufe, Petitionen und Briefe würden in der verfahrenen Situation nichts bringen. «Es gibt eine einzige Person, die diesen Krieg stoppen kann. Die sitzt im Weissen Haus.»
Auch der innenpolitische Druck auf die Regierung Israels könne nur langsam etwas an der aktuellen Lage ändern, doch er wachse täglich. 50 Prozent der israelischen Armeereservisten würden mittlerweile den Dienst verweigern, so Schneider.
Hoffnung auf Frieden
Die Hoffnung auf Frieden sei zwar in weite Ferne gerückt, aber immer noch da. «Wenn Juden und Deutsche nach dem grössten Massenmord der Menschheitsgeschichte befreundet sein können», sei auch das möglich, so Schneider.
Eine Hoffnung, die Shirine Dajani teilt. Ihre Grossmutter habe ihr von einem anderen Leben in Palästina erzählt: «Die Palästinenser, Juden, Christen und Muslime haben dort einst zusammen in Frieden gewohnt.»