Die Verantwortlichen der reformierten Kirchen der Romandie haben zwei Journalisten der Nachrichtenagentur Protestinfo entlassen. Dies hat am 14. Oktober die Tageszeitung 24 Heures enthüllt. Das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS hat darüber berichtet.
Über die Gründe gibt es unterschiedliche Darstellungen. Yves Bourquin, Vizepräsident der Konferenz der reformierten Kirchen CER, spricht von einem Vertrauensbruch. Hinter den Kulissen sollen die Arbeitsmethoden der Journalistinnen, ihre kritische Haltung und angeblich voreingenommene Recherchen für Unmut gesorgt haben.
Die von der Entlassung betroffene Chefredaktorin von Protestinfo, Anne-Sylvie Sprenger, sieht die Sache anders. Sie spricht von einer redaktionellen Meinungsverschiedenheit, will aber wegen eines laufenden Verfahrens keine Details nennen.
Einer der entlassenen Journalisten äussert sich
«Wir waren gerade dabei, eine etwas komplizierte Recherche durchzuführen», sagte Lucas Vuilleumier, der ebenfalls entlassen wurde.
Er bestätigte gegenüber RTS, dass die fragliche Untersuchung einen Theologen betraf, der des sexuellen Missbrauchs verdächtigt wurde, sowie dessen anhaltende Verbindungen zu den reformierten Kirchen der Romandie. «Diese Untersuchung konnte nicht das Licht der Welt erblicken», so Vuilleumier.
Offener Brief gegen «Angriff auf Pressefreiheit»
Die Kündigung löste heftige Reaktionen aus. Mehr als 100 protestantische Persönlichkeiten – darunter Theologen, Journalistinnen und Akademikerinnen – unterzeichneten einen offenen Brief. Darin prangern sie einen «Angriff auf die Unabhängigkeit der Presse» an. Die Entlassung sei «brutal» und schade der Glaubwürdigkeit der Kirchen.
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«Diese Entlassung untergräbt die journalistische Unabhängigkeit und schadet der Glaubwürdigkeit der protestantischen Kirche erheblich», heisst es im Brief. Die Gruppe fordert die Wiedereinstellung und institutionelle Garantien: «Protestinfo steht nicht im Dienst einer Institution, sondern im öffentlichen Interesse.»
Kirchenrat weist Zensurvorwurf zurück
Der Exekutivrat der Konferenz der reformierten Kirchen CER bestreitet jede Absicht zur Zensur. Die Kündigung sei nicht auf einen punktuellen Streit oder einen einzelnen Artikel zurückzuführen, sondern auf «unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten und einen Vertrauensverlust».
«Es gab weder Zensur noch die Absicht, Informationen zu verheimlichen. Es wurde kein Druck von aussen ausgeübt», betont Yves Bourquin. Die CER bekräftigt ihre Bekenntnis zu einer «professionellen, kritischen und glaubwürdigen protestantischen Presse».
«Fragwürdige» journalistische Methoden
Die Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Waadt (EERV) bestreitet direkte Einflussnahme auf das Entlassungsverfahren, äussert aber deutliche Kritik an den Methoden der Journalisten.
In einem Schreiben an die CER Anfang Oktober zeigte sich der Synodalrat der EERV «verwundert und enttäuscht» über Praktiken, die er als fragwürdig bezeichnet. Er spricht von einer «kaum verhüllten Absicht, den Gesprächspartner in eine Falle zu locken, sowie von der nachträglichen Ausarbeitung tendenziöser Fragen, die offensichtliche Voreingenommenheit widerspiegeln». Auch Drohungen, um Antworten zu erzwingen, werden erwähnt.
Die EERV befürchtet, dass solche Methoden dem Image von Médias-Pro, der CER und den Kirchen insgesamt schaden.