Lieferanten und Subunternehmer von Implenia beklagen sich seit Jahren über die langen Fristen, bis sie endlich ihr Geld erhalten. «Die Verzögerungen können bis zu acht Monate betragen, ohne Grund», sagt ein Lieferant. Aus Angst, nie wieder einen Auftrag zu erhalten, spricht er unter strikter Anonymität.
Einige Unternehmen wurden so in den Konkurs getrieben, nachdem sie zuvor ermutigt worden waren, hauptsächlich für Implenia zu arbeiten. «Wir wurden abhängig, es war unser Hauptkunde mit 60 oder 70 Prozent. Sie können sich also vorstellen, was passiert, wenn der Hauptkunde nicht mehr zahlt», berichtet ein ehemaliger Lieferant, ebenfalls unter Anonymität.
Aussagen von Implenia-Lieferanten gegenüber RTS (dt. Untertitel)
Warum bleiben so viele Rechnungen unbezahlt? Gemäss dem Jahresbericht von 2024 waren zum Jahresende Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten von fast einer Milliarde Franken offen – und das bei Rechnungen im Wert von insgesamt mehr als zwei Milliarden Franken.
Auf diese Frage antwortete der damalige Generaldirektor André Wyss schriftlich. Zuvor hatte ein geplantes Interview mit RTS abgesagt. «Grundsätzlich bezahlen wir unsere Lieferanten innerhalb der vereinbarten Fristen», schrieb Wyss. «Es gibt zum Bilanzstichtag immer Schwankungen, abhängig vom Portfolio der laufenden Projekte.»
In einer Stellungnahme vom 11. Juni 2025 schreibt Implenia, man bedauere, dass man nicht mit den Einzelfällen konfrontiert worden sei, um fundierte Angaben machen zu können. Und weiter hiess es darin: «Generell zahlt Implenia ihre Lieferanten und Subunternehmer innerhalb der vereinbarten Fristen. Die Qualität der Leistungen, die Einhaltung von Fristen sowie die Modalitäten der Rechnungsstellung können die Zahlung verzögern.»
RTS wollte keine Details zu Einzelfällen bekannt geben, um Lieferanten, die ausgesagt hatten, nicht zu gefährden und ihre Geschäftsbeziehungen nicht aufs Spiel zu setzen.
Organisierter Druck
Gemäss RTS fanden 2019 mehrere «Supplier Summits» (Lieferantengipfel) statt. Ihr Zweck sei gewesen, die Gewinnmargen des Unternehmens zu steigern. Die Methode war einfach: Lieferanten einbestellen und sie einzeln auffordern, freiwillig Geld an Implenia zu überweisen. Die Gipfel brachten nicht die erhofften Summen ein und wurden schliesslich nach einigen Monaten aufgegeben.
Hinter den Kulissen berichten Mitarbeiter von ihrem Unbehagen, einen solchen Druck auf ihre Geschäftspartner auszuüben. «Bei Implenia habe ich mich zum ersten Mal in meinem Leben für das geschämt, was man mich zu tun zwang», erzählt ein ehemaliger Angestellter. «Man hat uns wie Rennpferde gedrillt.»
In seiner schriftlichen Antwort an RTS beschreibt der Ex-Generaldirektor Wyss den Zweck dieser Anlässe so: «Wir haben die Supplier Summits damals organisiert, um die zukünftige Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten und Partnern zu planen und uns enger mit ihnen auszutauschen.»
Seit einigen Jahren positioniert sich Implenia neu auf margenstarke Dienstleistungen: Immobilienverwaltung, Planung, Ingenieurwesen. André Wyss hat das Unternehmen Ende März 2025 verlassen. Am 1. Mai trat er auf Vorschlag des Bundesrats in den Verwaltungsrat der SBB ein, den er ab nächstem Jahr als Nachfolger der derzeitigen Präsidentin Monika Ribar präsidieren wird.